Die Riesen vom Hungerturm
wie sie enden willst oder uns gleich gibst, was wir verlangen!«
Luxon ging zum Tor zurück, ohne die Ausgehungerten aus den Augen zu lassen. Sie mochten schwach sein, doch in ihren Augen war ein unheilvoller Glanz. Wenn sie sich alle gemeinsam auf ihn stürzten…
»Was wollt ihr haben?« rief er.
»Deine Augen! Will deine Augen!« Das mußte Celen sein. »Besser sehen!«
»Dein Herz! Gib mir dein Herz, denn meines ist ohne Mut und Kraft. Darum habe ich kein Gesicht!«
Luxon glaubte, Ahoks Stimme wiederzuerkennen.
»Leih mir deinen linken Arm!« rief der dritte – Bened. »Damit ich den meinen mit seiner Kraft beleben kann!«
»Schert euch fort!« schrie Luxon. »Meine Klinge könnt ihr haben!«
Sie lachten schallend. Angewidert drehte Luxon sich um und trat gegen das Holz, daß es splitterte.
Doch es war zu dick, viel zu dick, um eine Öffnung hineinzuschlagen. Luxon leuchtete mit dem Scheit und sah, daß die anderen Gefangenen es versucht hatten. Auch den Gedanken, es mit der Fackel zum Brennen zu bringen, verwarf er.
Kein Messer, kein Schwert konnte ihm etwas anhaben. Wo das Holz zwei, drei Finger dick abgeschabt war, schimmerte schwach Eisen durch. Das Tor war aus Eisen und nur mit Holz überzogen – aus welchem Grund auch immer.
Luxon sah, wie die Ausgehungerten ihm wieder näher kamen. Draußen entfernten sich die Schritte der Riesen.
»Bleibt mir vom Leib«, warnte Luxon die Anrückenden. »Oder ich…«
Ein alter Mann schob sich vor, blickte ihn aus tief in den Höhlen liegenden Augen an und schüttelte kraftlos den Kopf.
»Gar nichts mehr wirst du tun«, sagte er tonlos. »Du wirst wie wir hier hungern, sterben und verrotten, wenn du ihnen nicht gibst, was sie fordern. Sie sind mit den Mächten der Finsternis im Bunde. Es gibt keine Flucht von hier.«
Achar! dachte Luxon.
Quidas Flüche!
Plötzlich mut- und kraftlos, ließ er sich vor dem Tor zu Boden sinken.
Die Ausgemergelten schoben sich heran.
4.
Unterdessen war im Palast von Tupan der Rat der Magier zusammengetreten. Zu später Stunde hatte der König darum gebeten, daß seine Berater sich zu ihm begaben, um ihm über Alamogs und Yavus’ Verbleib weiszusagen. Auch Tarakon und einige Krieger befanden sich in der großen Halle. Tarakon konnte berichten, daß vor den Toren der Stadt alles ruhig war – von den üblichen Kampfspielen und Zechereien der Vogelreiter abgesehen.
Doch das war schon zur Gewohnheit geworden. Ihre Feuer erhellten die Nacht bis hin zu den fernsten Hügeln. Soweit das Auge reichte, war der Hyma in Lichter gebadet. Rechts und links von ihm standen die Zeltlager der Eroberer. Andraiuk nickte nur, als Tarakon seinen Bericht mit der Auskunft abschloß, daß keine Vogelreiter mehr in der Königsstadt selbst seien.
Der König der Ays wirkte verloren in seinem prachtvollen Thron, hinter dem sich das Wappen des Reiches zehn mal zehn Fuß groß über die weiße Wand spannte.
»Nun sprich du, Dryhon«, forderte er den Magier auf, der in Alamogs Abwesenheit den Vorsitz im Rat hatte.
Dryhon erhob sich von einer der langen Bänke, die in der Form eines zum Thron hin offenen Vierecks angeordnet waren. Tarakon wandte den Kopf ab, als er an ihm vorbeischritt und wenige Fuß vor Andraiuk stehenblieb.
»Herr«, begann Dryhon, »die Zeichen stehen nicht günstig für Ayland. Ich habe das Orakel der Steine befragt, und es verhieß nichts Gutes. Sodann nahm ich den Trank des Wissens und sah Alamog in den Tiefen der Düsterzone. Es schmerzt mich, zu sagen, was…«
Andraiuk hob die Rechte. Dryhon verstummte.
»Was heißt das, die Zeichen stehen nicht günstig für Ayland?« fragte er heftig. »Hast du nicht gelernt, dich klar auszudrücken, Dryhon?«
»Das schon, Herr«, entgegnete der Magier ungerührt. »Doch wollte ich dir ersparen, was du…«
Andraiuk fuhr ihm erneut ins Wort. Überrascht und befremdet sahen die übrigen Magier zu ihm auf.
»Erspare mir dein leeres Geschwätz, sonst nichts! Was sagt das Orakel?«
Ein Ruck ging durch Dryhons hageren Körper. Er blickte dem König fest in die Augen, als er sprach:
»Ein Schatten liegt über Ayland, über dem Königshaus. Du weißt, wovon ich rede, Herr. Ich sah Feuer und Tod, niedergerissene Mauern und Pest! Und immer wieder das Gesicht eines Kindes – deines Kindes, Herr!«
Andraiuk beugte sich vor. Seine Augen waren plötzlich die eines Falken, der seine Beute erspäht hatte. Ein Raunen ging durch die Reihen der Magier. Lange hatten sie ihren König nicht mehr so
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