Die Riesen von Ganymed
Welt als Heimat an«, murmelte Jassilane und schüttelte den Kopf. »Zwanzig Jahre lang hat unser Volk nur von der Heimkehr geträumt. Und jetzt, da es eine Heimat gefunden hat, willst du es erneut in den leeren Raum hinausführen. Minerva ist vergangen – nichts, was in unserer Macht steht, wird daran etwas ändern können. Aber durch eine Laune des Schicksals haben wir ein neues Zuhause gefunden – hier. Das wird kein zweites Mal vorkommen.«
Plötzlich fühlte sich Garuth sehr müde. Er sank auf den freien Stuhl bei der Tür und blickte auf die drei ernsten Gesichter, die ihm nicht auswichen. Es gab nichts, was er dem hätte hinzufügen können, was nicht bereits ausgesprochen worden war. Ja, es stimmte alles. Die Bewohner der Erde hatten sein Volk begrüßt, als handle es sich um langvermißte Brüder. Sie hatten ihnen alles angeboten, was sie besaßen. Aber in den sechs Monaten, die inzwischen vergangen waren, hatte Garuth einen tiefen Blick hinter die Kulissen geworfen. Er hatte geprüft, er hatte zugehört, er hatte beobachtet, er hatte gesehen.
»Heute empfangen uns die Erdbewohner mit offenen Armen«, sagte er. »In mancherlei Hinsicht sind sie jedoch noch Kinder. Sie zeigen uns ihre Welt in der Art eines Kindes, das einem Freund seine Spielkiste öffnet. Aber ein Spielkamerad, der ab und zu mal vorbeikommt, ist eine Sache – einer, der einzieht und im gleichen Hause wohnen bleibt, mit den gleichen Eigentumsrechten an der Spielkiste, ist eine ganz andere Sache.«
Garuth sah, daß seine Zuhörer überzeugt werden wollten, um zu der gleichen festen Überzeugung von der Richtigkeit der Anschauung zu gelangen, die er darüber besaß, aber es gelang ihnen nicht – im Gegensatz zu früher, wo es ein Dutzend Mal gelungen war. Aber er hatte keine andere Wahl, als das Thema erneut zu behandeln.
»Die menschliche Rasse lernt noch immer mühevoll, mit sich selbst auszukommen. Heute sind wir nichts weiter als eine Handvoll Außerirdischer – eine Neuheit. Aber eines Tages würden wir zu einer beträchtlichen Bevölkerung anwachsen. Die Erde verfügt noch nicht über die Stabilität und über die Reife, um Koexistenz in dieser Größenordnung walten zu lassen. Sie sind gerade erst dabei, sich untereinander zu tolerieren. Seht euch ihre Geschichte an. Ich bin sicher, daß sie eines Tages dazu in der Lage sein werden, aber jetzt ist die Zeit dafür noch nicht reif.
Ihr vergeßt ihren Stolz und ihren angeborenen Instinkt, in allen Dingen Konkurrenz zueinander zu entwickeln. Sie könnten niemals untätig eine Situation akzeptieren, in die sie eines Tages durch ihre Instinkte hineingebracht würden, wenn diese ihnen suggerierten, sie selbst seien unterlegen und wir die dominierenden Rivalen. Wenn eine solche Zeit käme, wären wir gezwungen, sowieso aufzubrechen, da wir uns niemals unwilligen oder aufgebrachten Gastgebern aufdrängen würden. Vorher würde es jedoch eine Menge Probleme und womöglich unerfreuliche Dinge geben. Es ist besser so.«
Shilohin vernahm seine Worte, aber noch immer prallte ihr ganzes Inneres von dem Urteilsspruch ab, der mit ihnen verbunden war.
»So, dafür würdest du dein Volk betrügen«, flüsterte sie. »Nur, um die Geradlinigkeit der Evolution auf diesem fremden Planeten zu gewährleisten, würdest du deine eigene Rasse opfern – die letzten stolzen Überreste unserer Zivilisation. Was ist das bloß für ein Urteil?«
»Es ist nicht mein Urteil, sondern das Urteil der Zeit und des Schicksals«, gab Garuth zur Antwort. »Vor langer Zeit war das Sonnensystem ganz ohne Zweifel die Heimat unserer Rasse, aber diese Zeiten sind seit langem vorbei. Heute sind wir Eindringlinge – ein Anachronismus, ein Stück Treibgut, das vom Ozean der Zeit an den Strand getrieben wurde. Heute ist das Sonnensystem als rechtmäßiges Erbe dem Menschen zugefallen. Wir gehören hier nicht länger hin. Dies ist kein Urteil, das wir fällen, sondern eines, das von den Umständen über uns gefällt wurde. Wir haben lediglich die Aufgabe, uns dem zu unterwerfen.«
»Aber dein Volk …«, protestierte Shilohin. »Sollten sie nicht aufgeklärt werden? Haben sie nicht das Recht …?«
In einer hilflosen Geste warf sie beide Arme empor. Garuth blieb einen Moment lang stumm und schüttelte sodann langsam seinen Kopf.
»Ich werde ihnen nicht enthüllen, daß es sich bei der neuen Heimat auf dem Stern der Riesen um einen Mythos handelt«, erklärte er mit Überzeugung in der Stimme. »Das ist ein Kreuz, das
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