Die Riesen von Ganymed
verschwimmende Farben auf, die über den Schirm huschten und allmählich verblaßten. Nach einigen Minuten hatten sich diese Farben zu einem eintönigen, gleichförmigen gräulichen Nebelschleier verdichtet. Auf dem Schirm würde bis zu ihrer Ankunft auf Ganymed nichts anderes mehr erscheinen.
»Monchar«, rief Garuth. »Ich habe einige Dinge zu erledigen. Kannst du hier eine Zeitlang für mich übernehmen?«
»Aye – aye, Sir.«
»Sehr gut. Wenn irgend etwas anfallen sollte – ich bin in meiner Kabine.«
Garuth entschuldigte sich bei den übrigen, nahm die Grüße von allen Seiten entgegen und verließ das Kommandozentrum. Langsam schlenderte er durch die Gänge, die zu seinem Privatquartier führten.
Voll und ganz mit seinen Gedanken beschäftigt, achtete er kaum auf seine Umgebung. Als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, starrte er lange Zeit auf sein Gegenüber im Wandspiegel seiner Privatkabine, als suche er nach sichtbaren Veränderungen seines Äußeren, die von seiner Handlungsweise vielleicht hervorgerufen worden waren. Dann ließ er sich auf einen der Lehnstühle fallen und starrte mit leerem Blick an die Decke, bis sein Zeitbewußtsein aussetzte.
Schließlich aktivierte er den Wandschirm in seiner Privatkabine und rief ein Sternkartenprogramm ab, auf dem der Teil des Weltalls abgebildet war, in dem sich das Sternbild des Stieres befand. Lange Zeit saß er da und starrte auf den schwachen Lichtfleck, der im Verlauf ihrer Reise zunehmend heller werden würde. Es bestand die Möglichkeit, daß sie völlig falsch lagen. Diese Möglichkeit bestand immer. Wenn die Ganymeder tatsächlich nach dort ausgewandert waren – was für eine Zivilisation hatten sie dann im Laufe von Millionen Jahren errichtet, die vergangen waren, seitdem die Shapieron von Minerva aufgebrochen war? Über welche Art von Wissenschaft würden sie verfügen? Welche Wunder, die nicht einmal er sich vorstellen konnte, würden sie als Selbstverständlichkeiten erachten? Während sein Geist dem schwachen Fleck auf der Sternenkarte entgegeneilte, spürte er, wie sich plötzlich starke Hoffnung in ihm regte. Er begann sich die Welt bildlich vorzustellen, die dort auf ihren Empfang harrte. Und er wurde unruhig und ungeduldig, wenn er an die Jahre dachte, die unabänderlich verstreichen würden, bevor sie Gewißheit erlangen würden.
Er wußte, daß der Optimismus der menschlichen Wissenschaftler grenzenlos war. Bereits jetzt strahlten die riesigen Schirme des Radioobservatoriums auf der erdabgewandten Seite des Mondes eine hochleistungsverstärkte Botschaft, die im Kommunikationscode der Ganymeder abgefaßt war, zum Stern der Riesen aus, um die Ankunft der Shapieron rechtzeitig zu melden – eine Nachricht, die Jahre brauchen würde, um die Entfernung zu überbrücken, die aber dennoch eine ganze Weile früher als das Schiff ankommen würde.
Dann sank er in seinem Sessel zusammen, verzweifelt und entmutigt.
Er wußte, was nur wenige seiner Vertrauten wußten – daß nämlich niemand diese Botschaft empfangen würde. Nichts, was es in den Aufzeichnungen der Lunarier gab, hatte irgend etwas bewiesen. Es war nichts anderes als ein frommer Wunsch nach Art der Erdenmenschen.
Seine Gedanken wanderten zurück zu den unglaublichen Erdbewohnern – diese Rasse, die über Millionen von Jahren sich abgemüht und gegen solche fürchterliche Schwierigkeiten angekämpft hatte und die nun endlich ihre Vergangenheit abstreifte und sich auf dem Wege zu fortwährendem Wohlstand und Weisheit befand … wenn man sie nur noch eine kleine Weile in Frieden ließ, damit sie die Dinge vollenden konnte, für die sie so heldenhaft gekämpft hatte.
Die Menschen hatten ihre Welt aus dem Chaos errichtet, allen Theorien und Voraussagen aller Weisen und Wissenschaftler auf Minerva zum Trotz. Sie hatten es verdient, in Frieden gelassen zu werden, um ihre Welt ohne fremde Einmischung zu genießen.
Denn Garuth wußte, wie neben ihm nur noch Shilohin, Jassilane und Monchar, daß die Ganymeder die menschliche Rasse erschaffen hatten.
Die Ganymeder waren die direkte Ursache aller Defekte, Handikaps und Probleme gewesen, die eigentlich nach allen Gesetzen der Logik dem Menschen keinerlei Chance hätten lassen dürfen. Aber der Mensch hatte über all diese Dinge triumphiert. Die Gerechtigkeit verlangte nun, daß man den Menschen allein ließ, um auf seine eigene Weise seine Welt besser zu gestalten, ohne weitere Eingriffe durch die Ganymeder.
Denn die Ganymeder
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