Die Riesin Arachna
voller Helligkeit, wo eine freundliche Sonne schien, weiches grünes Gras wuchs und so sympathische kleine Geschöpfe herumsprangen wie dieser furchtlose Achr.
Wenn diese Riesin in der oberen Welt wirklich meine böse Ahnin war, dachte sie unvermittelt, hat die Große Glua sie vielleicht doch entführt. Oder sie wurde vom Dunklen Ruß ins Zauberland gespült…
»Falsch, mein kleines Mädchen, ganz falsch!« flüsterte es da plötzlich neben ihr.
Ah fuhr erschrocken herum. Hinter einem der hier verstreut herumliegenden Steine entdeckte sie einen mächtigen Kopf. Es war das Haupt der Glua.
DIE GROSSE SCHLANGE
Das Mädchen Ah schrie auf und wich entsetzt zurück. Langsam, den Blick gebannt auf den Kopf gerichtet, der vielleicht zuschnappen würde, schob es sich Schritt um Schritt nach hinten. Nur möglichst weg von der Glua! Doch sie kam nicht weit, ihre Fersen stießen plötzlich an ein Hindernis. Sie wäre hingefallen, hätte nicht etwas Weiches und Federndes, das an ein elastisches Seil erinnerte, sie aufgefangen. Das Mädchen bekam es mit den Händen zu fassen und erschrak noch heftiger: das vermeintliche Tau war glitschig naß und nichts anderes als der zum Halbkreis geformte Schwanz der Schlange.
»Immer mit der Ruhe, meine Kleine, schön vorsichtig, sonst tust du dir noch weh«, zischte die Schlange leise und mit gedehnter Stimme. »Der Glua kann man nicht entkommen, schau nur richtig hin!«
Ah blickte sich um und stellte fest, daß die ganze Lichtung, auf der sie haltgemacht hatten, von der Schlange eingenommen wurde. Dabei hatten sie geglaubt, ihr entwischt zu sein!
Die Glua schickte eine sanfte Wellenbewegung durch ihren langgezogenen Körper, so daß ihre wunderschöne perlmuttfarbene Schuppenhaut sichtbar wurde.
Ah verfolgte fasziniert dieses Wellenspiel, das sich über die ganze Lichtung hinweg fortsetzte. Ihr wurde direkt schwindlig davon.
Der Säbelzahntiger dagegen hatte sich angriffslustig zum Sprung geduckt. Bei den ersten zischenden Lauten der Schlange glaubte er noch, es erneut mit einer gefährlichen Schua zu tun zu haben, und auch als er seinen Irrtum erkannte, gab er sich nicht geschlagen. Er lauerte auf eine Gelegenheit, sich in der Schwanzspitze der Glua festzubeißen. Doch diese Gelegenheit kam nicht. Im Gegenteil, die Glua packte ihn mit eben diesem Schwanzende und hob ihn hoch in die Luft.
»Wer wird denn so wagemutig sein, mein Kätzchen!« sagte die Schlange spöttisch und beobachtete belustigt, wie der Tiger verzweifelt, aber völlig erfolglos mit den Beinen strampelte. »Willst du wieder abstürzen wie neulich, als du zu uns ins Tal gepurzelt bist? Das würde deinen Pfötchen gar nicht gut bekommen. Beruhige dich, ich fresse weder kleine Mädchen noch winzige Tiere, schon gar nicht, wenn sie so tapfer sind wie du. Übrigens schmecken sie mir auch nicht, selbst die boshafte Urahnin von Ah hab ich am Leben gelassen.«
»Dann kannten Sie meine Vorfahrin also, hatten mit ihr zu tun?« fragte das Mädchen, deren Neugier sogleich über die Furcht siegte. »Was ist mit ihr passiert?«
Die Glua lachte:
»Immer langsam, meine Kleine!« zischte sie. »Mit der Zeit wirst du schon noch erfahren, was du wissen willst.« Sie setzte den Tiger wieder auf die Erde.
»Du scheinst dich gut auszukennen«, sagte Achr. »Wenn du wirklich so allmächtig bist, wie es scheint, dann hilf mir zurück ins Zauberland. Bestimmt weißt du über die Tür in dem unterirdischen Gang Bescheid, die sich damals so unerwartet vor mir geöffnet hat.«
»Natürlich weiß ich, was es mit dieser Tür auf sich hat«, erwiderte die Glua. »Aber ein zweites Mal wird es dir nicht gelingen, dort hindurchzuschlüpfen.«
»Und weshalb nicht?« fragte der Tiger unzufrieden. »Nimmst du etwa an, ich sei hier unten im Land der Uiden dicker geworden?«
»Ganz und gar nicht!« Die Schlange lachte zischelnd. »Aber die Tür gibt nur dem den Weg frei, der eine Wandlung vom Bösen zum Guten durchmacht. Erinnere dich, was du seinerzeit in deiner Todesangst gedacht hast. Weißt du es noch?«
Natürlich wußte Achr das. Die furchtbaren Minuten im unterirdischen Gang, als er fast am Staub erstickt wäre, würde er nie vergessen!
»Ich habe daran gedacht, daß mein Streit mit den Löwen unsinnig war und daß wir uns in Zukunft besser vertragen sollten«, brummte er.
»Stimmt«, bestätigte die Schlange. »Du hast dich besonnen, wenn auch erst im letzten Augenblick. Die unsichtbare Wand hat sich geöffnet, weil du einsichtig
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