Die Riesin Arachna
warst. Doch dieses Wunder geschieht nur einmal. Zur Rückkehr steht dir dieser Weg nicht mehr zur Verfügung.«
Der Tiger legte betrübt den Kopf auf die Vorderpfoten. Das Mädchen Ah beugte sich über ihn und strich ihm tröstend übers Fell.
»Sei nicht traurig, Achr«, sagte sie beschwörend, »wir werden einen anderen Weg zurück ins Zauberland finden, Glua wird uns bestimmt dabei helfen.« Sie schaute die Schlange bittend an.
»Nun ja, der Dunkle Fluß hat zum Glück keine Ahnung von dieser Geschichte«, murmelte die Glua kaum hörbar. »Also wird er mich auch nicht hindern, etwas zu unternehmen.« Und lauter: »In Ordnung, ihr könnt auf mich zählen. Es gibt tatsächlich einen anderen Weg nach oben.«
»Aber wo ist er?« rief das Mädchen aufgeregt. »Ich kenne das Tal der Uiden wie meine Jackentasche, habe aber nirgends auch nur das kleinste Schlupfloch entdeckt. Oder sind alle Türen nach draußen verzaubert wie der unterirdische Gang, den Achr benutzt hat?«
»Und was ist mit dem Dunklen Fluß?« erinnerte die Glua. »Du hast dem Tiger selbst erzählt, daß niemand weiß, wo er seinen Anfang nimmt und wo er endet!«
»Der Fluß? Ich kann doch gar nicht schwimmen!« sagte das Mädchen erschrocken. »Und das Wasser ist so tief, so reißend.«
Der Tiger war gleichfalls wenig begeistert, schwimmen zu müssen. Wie alle Katzen, machte er sich das Fell nur ungern naß.
»Dafür schwimme ich wie ein Fisch«, sagte aufmunternd die Schlange. »Einen anderen Weg aus dem Unterirdischen Reich gibt es nicht!«
Sie setzte sich wieder in Bewegung, glitt zurück zum Fluß. Ah und Achr folgten ihr.
Zum erstenmal in ihrem Leben trat das Mädchen ganz dicht an den Fluß heran. Doch sie bemerkte die rasante Strömung und bekam noch mehr Angst.
Der Tiger streckte vorsichtig eine Pfote ins Naß, schüttelte angewidert die Tropfen ab und wich zurück. Dieser Strom flößte ihm keinerlei Vertrauen ein.
Nur die Glua fühlte sich ausgezeichnet. Sie glitt elegant in die Fluten, wobei sie ihren Körper ringförmig aufrollte, bis nur noch die Schwanzspitze an Land war. Der Kopf dagegen ragte ein Stück aus dem Wasser.
Sie spornte die beiden an:
»Na los, nur Mut, ihr braucht keine Furcht zu haben!«
Bevor sie es sich versehen hatten, wurden das Mädchen und der Tiger mit der Schwanzspitze in das Nest aus Ringen befördert, das die Schlange für sie gebildet hatte. Sie saßen darin wie in einem runden Gummiboot. Zielstrebig ging es stromabwärts, fort aus dem Tal der Uiden.
»Oje, ich habe nicht einmal meinen Eltern Bescheid gesagt!« rief das Mädchen ein bißchen verspätet.
Doch das Boot, das die allmächtige Glua aus ihrem Körper geformt hatte, befand sich bereits in der Mitte des Dunklen Flusses.
Obwohl die Schlange ihre Körperringe so fest wie möglich aneinanderpreßte, sickerte Wasser durch einige Ritzen und füllte das Boot allmählich. Es reichte Ah, die auf dem obersten Ring saß, schon fast bis an die Knie. Achr aber sah sich genötigt, wie eine Katze auf den Armen des Mädchens Zuflucht zu suchen. Anfangs hatte er sich mit seinen Krallen selber am Bootsrand festgehalten, doch das kitzelte die Glua.
»Wenn du das nicht läßt«, drohte sie, »rolle ich mich auseinander, und dann könnt ihr zusehn, wie ihr ins Zauberland kommt.«
»Aber dein Boot ist ziemlich löchrig«, nahm Ah ihren Freund in Schutz. »Wenn das so weitergeht, finden wir uns sowieso im Wasser wieder.«
»Keine Bange«, sagte die Schlange beschwichtigend, »höher steigt das Wasser nicht. Nasse Füße mußt du allerdings in Kauf nehmen.«
Die Glua schwamm, den Kopf hoch aufgereckt, wie ein Schwan. Allmählich richteten sie sich ein. Ah und der Tiger wurden mutiger, klammerten sich jetzt weniger ängstlich aneinander und hielten neugierig nach allen Seiten Ausschau.
DIE BEGEGNUNG MIT ARACHNA
Das Tal der Uiden lag mittlerweile weit hinter ihnen, die Ufer waren höher und schroffer geworden. Das Wasser, zwischen Felswänden eingezwängt, strömte nun schneller dahin. Weiter vorn aber teilte sich der Dunkle Fluß in zwei Arme. Die drei glitten genau auf eine Insel zu, die in der Mitte lag und ihn spaltete.
Die Glua kannte diese Stelle ganz offensichtlich, denn sie schwenkte mit ihren beiden Gästen zielstrebig nach rechts ab.
Als sie auf Höhe der Insel waren, bot sich ihnen ein Anblick, der den Tiger an heimische Gefilde erinnerte: Das Eiland hatte jetzt flache sandige Ufer, und überall waren mächtige Findlinge verstreut.
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