Die Risikoluege
Inkaufnahme von Risiken nichts gewinnen würden. Und diese Lebenseinstellung der ersten Pioniere existiert in den USA noch immer: Yes, we can. We can do it.
Ängstlichkeit und Empfindlichkeit gegenüber Gefahren ist vor allem aber auch ein direkter Ausdruck des hohen Lebensstandards, den eine Nation erreicht hat. Die Lebensqualität in den westlichen Zivilisationen hat ein nie da gewesenes Hoch erreicht. Wir leben immer gesünder und werden immer älter. Das Risiko eines vorzeitigen Todes wird immer geringer. Und je sicherer das Leben für den Menschen wird, umso eher werden schon geringe Störungen als Bedrohungen dieser Sicherheit wahrgenommen, werden kleine Risiken als große Gefahren empfunden.
In der repräsentativen Langzeitstudie »Die Ängste der Deutschen« 2011, für die von der R+V-Versicherung jedes Jahr 2500 Bundesbürger befragt werden, stehen nicht etwa Hunger, Not oder drohende Arbeitslosigkeit an erster Stelle, sondern steigende Lebenshaltungskosten (63 Prozent), Naturkatastrophen (60 Prozent) und Pflegefall im Alter (55 Prozent) nehmen die Spitzenplätze ein, was auch als Luxusängste bezeichnet werden kann. Dies zeigt vor allem, wie gut es den meisten in unserem Land geht.
Ängste, ob rational oder irrational, haben aber auch ihr Gutes. Angst ist für den Menschen wichtig, gerade in sicheren Zeiten, denn falsche Einschätzungen von Gefahren bergen Risiken. Ist der Mensch nicht mehr ständig Gefahren
ausgesetzt, verliert er sein Gefühl für sie. Er fühlt sich sicher, und damit wird sein Leben riskant. Ohne Angst gibt es keine Vorsicht. Sicherheit ist des Menschen ärgster Feind, sagt Shakespeare im Macbeth. In einer immer komplizierter werdenden technischen Welt würden wir nicht überleben, könnten wir nicht Ängste entwickeln.
Angst vor Technik verliert man vor allem durch Vertrauen in sie, und das Vertrauen in Großtechnologien ist nicht mehr groß, was vor allem mit ihrer Undurchschaubarkeit zusammenhängt. Dieses Vertrauen können einem die Unternehmen nicht durch Frohbotschaften in hübschen Werbespots einreden.
Bei der Kerntechnik und anderen Großtechnologien besteht weder Vertrauen in die Technik, noch zu denen, die sie betreiben. Kernenergie oder Gentechnik werden nicht nur abgelehnt, weil sie als gefährlich angesehen werden, sondern auch, weil man denen, die sie betreiben, nicht traut. Das Imageproblem, das die Betreiber von großtechnischen Anlagen haben, ist vorwiegend ein Vertrauensproblem. Und dies ist bei den vielen Risikolügen, mit denen sie uns in der Vergangenheit abgespeist haben, auch mehr als verständlich.
Betrügen wir uns nicht auch selbst?
Es ist richtig, dass wir heute von allen Seiten betrogen und belogen werden: von der Wirtschaft, den Industrien und der Politik, von den Banken, der Werbung und den Medien. Aber ebenso richtig ist es, dass wir in unseren Ansprüchen maßlos geworden sind und gar nicht mehr merken, dass wir uns auch ständig selbst betrügen und belügen.
Dass vieles, was wir heute beklagen, unsere Maßlosigkeit erst möglich gemacht hat, in allen Bereichen des täglichen Lebens.
Leider sind sich viele nach wie vor nicht bewusst, dass sich mit den wachsenden Bevölkerungszahlen und den steigenden Ansprüchen immer unangenehmere Folgen für uns einstellen, dass Autos zunehmend die Umwelt verschmutzen und der Konsum immer weiteren Abfall erzeugt. Wir sehen die Schäden und Probleme, möchten aber unser Verhalten nicht ändern. Wir wollen von den Industrien leben, die Umwelt durch sie aber nicht verschmutzen lassen. Wir beklagen die Auswirkungen des Massenverkehrs, wollen aber auf individuelle Mobilität nicht verzichten.
Dabei könnten wir auf dem einen oder anderen Feld durchaus mit Erfolg aktiv werden: Ich denke an das Sparen von Strom und Wasser, Gas und Benzin. Wenn jeder auch nur ein bisschen bewusster damit umgeht, bringt es etwas und er spart Geld dabei, ohne Lebensqualität zu verlieren. Allerdings bedarf es hierzu eines Verhaltenswechsels, bis hin zu »einer Kultur der Genügsamkeit.«
Doch der Durchschnittsbürger ist widerstandslos geworden gegen die Verlockungen des Konsums, der weitgehend durch die Fernsehwerbung angeregt und unterhalten wird. Konsumieren erhöht unser Wohlbefinden und nimmt in weiten Bevölkerungsschichten den Charakter eines hohen Lebenswertes ein. Leider ist zu befürchten, dass sich an alledem auch in Zukunft nichts ändern wird, dass Vernunft und Maß gegenüber der Maßlosigkeit auf der Strecke bleiben
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