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Sieg der Liebe

Titel: Sieg der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mirinda Jarrett
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PROLOG
    St. Pierre, Martinique 1754
    „Sieh sie dir an, Michel!“ flüsterte Antoinette Gericault eindringlich. „Sieh sie dir an und denk daran, was sie dir alles gestohlen haben!“
    Antoinette umklammerte die Schultern des Jungen, und er spürte ihre scharfen Nägel durch den abgetragenen Stoff seines Hemdes. Aber Michel zuckte nicht einmal. Er verdiente jede Strafe, die Maman ihm zufügte. Hatte sie. ihm nicht schon oft gezeigt, daß er schlecht und faul war, kaum der Mühe wert, die es sie kostete, ihn zu ernähren? Wenn sie ihn nicht so sehr liebte, würde sie ihn nicht tadeln oder schlagen, damit er sich seiner Herkunft als würdig erwies.
    Und damit er ihrer würdig war. Er mußte sich Mamans Liebe verdienen, denn er hatte nur sie.
    „Sieh sie dir an, Michel! “ Er spürte ihren heißen Atem an seinem Ohr, als sie sich über seine Schulter hinweg aus dem einzigen Fenster des Dachzimmmers lehnte, das sie gemeinsam bewohnten. „Mon Dieu, daß sie nach so vielen Jahren gerade hierher kommen, beinahe an meine Türschwelle! Schau dir an, was sie besitzen, während du auf so vieles verzichten mußt!“
    Die englische Familie war gerade dabei, die Schaluppe zu verlassen und sich vom Kapitän und der Besatzung zu verabschieden. Sie wurden weniger wie Passagiere, sondern wie liebe Gäste behandelt, und warum auch nicht? Sie waren wohlhabend, gut gekleidet und wohlgenährt, von dem breitschultrigen Vater bis zu der kleinen, rundlichen Mutter, die ein Baby auf dem Arm trug, während vier weitere Kinder sich um sie scharten.
    Der älteste Sohn, der etwa im selben Alter wie Michel zu sein schien, hielt einen kleinen schwarzen Hund an der Leine, der nur aus Schwanz und Schlappohren zu bestehen schien. Der Junge beugte sich hinunter, um dem Tier über den Rücken zu streichen, und der Welpe bedankte sich, indem er ihm mit der Zunge über das Gesicht fuhr. Michels Mutter lachte. Dann legte sie ihren freien Arm um die Schultern ihres Sohnes und zog ihn an sich.
    „Sieh sie dir an, diese schamlose englische Hure!“ flüsterte Antoinette aufgebracht. „Schau nur, wie sie sich amüsieren kann über das Elend, das sie über uns gebracht hat!“
    Michel betrachtete den anderen Jungen und zwang sich, den Zorn seiner Mutter zu teilen. Er, Michel, würde niemals ein Hündchen haben. Es gab kaum genug zu essen für Maman und ihn, geschweige denn für einen Hund. Niemals würde er einen Mantel aus feinem blauen Stoff haben, oder einen Dreispitz mit einer silbernen Kokarde, oder Schuhe mit Messingschnallen, oder ein Fernrohr in einem Lederetui.
    Voller Scham dachte er an seine einzige Hose, deren Beine inzwischen zu kurz waren, um unter den Knien gebunden zu werden, seine gestopften Strümpfe, die abgetragenen Schuhe mit den Schnürsenkeln, die er einem betrunkenen Seemann gestohlen hatte und die überhaupt nicht zu seinen Schuhen paßten.
    Er würde niemals zwei jüngere Brüder haben, mit denen er rangeln und scherzen konnte, wie es jener Junge tat. Sein Vater würde sich nie herabbeugen, um auf etwas zu deuten, das ganz weit oben über den höchsten Masten zu sehen war, und das nur sie allein miteinander teilten. Seine Mutter würde ihn nie auf diese Weise umarmen, ganz offen vor aller Welt.
    Und seine Maman lachte nie ...
    „Ich wußte nicht, daß es auch noch eine Tochter gibt“, wisperte seine Mutter. „Böses kleines Geschöpf, geboren aus der Sünde. Sie soll zugrunde gehen, weil ihr Vater Schande über mich gebracht hat!“
    Jetzt erst bemerkte Michel das kleine Mädchen, das hinter den Röcken der Mutter verborgen gewesen war, bis es vorwärtssprang, um den Welpen zu streicheln. Es zeigte keinerlei Furcht und jauchzte entzückt, als das Hündchen versuchte, auch ihr das Gesicht zu lecken. Die Kapuze ihres Umhangs glitt zurück, und Michel konnte ihr Gesicht mit den runden, rosigen Wangen und den strahlenden Augen sehen. Ihr schwarzes Haar war auf rührende Weise zerzaust, und die Ähnlichkeit mit den Eltern war in ihrem Gesichtchen deutlich zu erkennen.
    Unwillkürlich machte Michel einen Schritt nach vorn. Das Glück des kleinen Mädchens wirkte selbst über die Entfernung hinweg wie ein Zauber auf ihn und zog ihn magisch an. Michels Mutter stand neben ihm und lächelte böse.
    „Jetzt wirst du es nicht mehr vergessen, nicht wahr, Michel?“ flüsterte sie. „Du wirst sie nicht vergessen, bis sie für alles gesühnt haben. Denn jener Mann dort ist Gabriel Sparhawk, der deinen Vater getötet hat.“

1.

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