Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
schnell wie möglich nach ihm sehen.
    Mit gezogenem Schwert stand er am Strand und blickte sich um.
    »Tim, es ist alles in Ordnung, das ist doch unsere Insel«, sagte ich und legte ihm vorsichtig die Hand auf die Schulter.
    Er nickte und ließ zögerlich das Schwert sinken, während er weiter misstrauisch in die Dunkelheit spähte. Hinter uns mühten sich Tom und Inga damit ab, das Boot ans Ufer zu ziehen. Mir kam überhaupt nicht in den Sinn, ihnen zu helfen, denn ich war völlig auf Timur fixiert, der offenkundig nicht ganz bei sich war.
    »Dima«, flüsterte er mit schwacher Stimme, »du denkst jetzt wahrscheinlich, ich spinne, weil ich auf unserer eigenen Insel mit gezogenem Schwert herumlaufe. Aber weißt du, für mich ist die Konföderation die einzige Chance.«
    Am Horizont flimmerten die schmalen Lichtbänder des Wetterleuchtens, und über uns am Himmel zogen die phosphoreszierenden Schatten dicker Haufenwolken hinweg.
    »Diese Insel ist für mich nicht die erste, verstehst du?«, fuhr Timur halblaut fort. »Selbst wenn sie nach den Regeln des Großen Spiels den Sieg erringen würde, brächte mir das überhaupt nichts. Denn ursprünglich
bin ich auf der Insel der Tausend Steine gelandet, wo uns die Japaner fast umgebracht hätten. Dort habe ich ein halbes Jahr gelebt und versucht zurechtzukommen. Aber dann habe ich es nicht mehr ausgehalten und mich auf die Suche nach Landsleuten gemacht. Immer am frühen Morgen, wenn die Brücken nur noch durch einen schmalen Spalt getrennt, aber noch keine Brückenwachen postiert waren, habe ich mich von Insel zu Insel vorgearbeitet. Nur Chris weiß, wie ich auf unsere Insel gekommen bin. Und Chris behält es für sich. Behalte du es auch für dich, okay?«
    »Warum erzählst du es mir dann?«, flüsterte ich.
    »Damit du mich verstehst. Ich werde bis zum Ende für die Konföderation kämpfen, weil ich keinen anderen Ausweg habe. Ich habe das Gefühl, dass ich besonders vorsichtig sein muss.«
    Obwohl Timur meine Geste nicht sehen konnte, nickte ich. Inzwischen kam Inga zu uns gelaufen. Tom war noch auf dem Boot zugange und suchte nach Vorratssäcken, indem er die Kajütenbretter auseinanderzog. Das hätte er sich wohl sparen können - im Sturm war alles von Bord gespült worden.
    Obwohl wir nicht allzu weit von der Burg an Land gegangen waren, brauchten wir unerwartet lange für den Weg. Mag der Orkan auch eine Illusion gewesen sein, der Regen hatte sich tatsächlich sintflutartig über die Inseln ergossen. Im kalten, nassen Sand sanken unsere Füße ein, und mehrfach mussten wir kleine Senken umgehen, die sich in morastige Sümpfe verwandelt hatten. Schon nach wenigen Minuten waren wir völlig entkräftet, und ich bereute es, dass ich nicht vorgeschlagen hatte, bis Tagesanbruch am Boot zu warten. Aber
was soll’s, dachte ich, irgendwann geht jeder Weg einmal zu Ende.
    Schließlich erreichten wir die Burgmauer. Im Halbdunkel der schwindenden Nacht wirkte das Mauerwerk blassgrau, als hätte der Regen die rosa Farbe einfach abgewaschen. Das Tor stand offen.
    »Ganz schön leichtsinnig«, bemerkte Timur abschätzig. »Sollen wir ihnen einen ordentlichen Schrecken einjagen?«
    Niemand reagierte auf diesen Vorschlag, und sicherlich war auch Timur weniger nach lauten Szenen zumute als nach einem warmen, weichen Bett. Wir alle wünschten uns in diesem Moment nichts sehnlicher, als uns so schnell wie möglich auf die erstbeste freie Pritsche fallen zu lassen.
    Erstaunlicherweise war auch die Tür am Haupteingang der Burg nur angelehnt, und durch den Spalt drang gelbes, flackerndes Licht. Wie auf Kommando blieben wir alle gleichzeitig stehen. Inga öffnete die Lippen, schien etwas sagen zu wollen, doch dann schloss sie wortlos den Mund wieder.
    »Dima«, flüsterte Timur, »gehst du mal nachsehen?«
    Ich nickte. In der Erwartung, sie würde wieder zu funkeln beginnen, blickte ich auf die Klinge meines Schwerts, doch sie tat nichts dergleichen. Das war im Grund nicht weiter verwunderlich, denn ihre Beschaffenheit hing ja einzig und allein von meinem Gemütszustand ab, und ich fühlte weder Wut noch Angst noch Misstrauen, sondern lediglich bleischwere Müdigkeit, die jede andere Regung in mir überlagerte.
    Vorsichtig, möglichst keine Geräusche verursachend, schlich ich zur Tür und lugte durch den offenen Spalt.

    Mitten im Gang, direkt vor dem schmalen Gatter, das in den Keller führte, brannte ein Lagerfeuer, an dem Rücken an Rücken zwei Jungen saßen. Als ich die vertrauten

Weitere Kostenlose Bücher