Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
mit mir gewesen, denn in meinem Rücken rauschte schon der nächste mit gierig rotierenden Messern bestückte Stoßzahn heran. Gegen die Strömung ankämpfend, hangelte ich mich an der Stange entlang langsam zum Rand der Plattform vor. Aus meinen Armen und Händen schwand
schnell die Kraft, und in jeder Faser meines Körpers spürte ich noch die Folgen des aufreibenden Gefechts gegen die Japaner. Beinahe wären meine Beine, die ich nachzog, in die Messer geraten - erst im letzten Moment konnte ich sie anziehen.
    Die Metallstange war im unter Wasser befindlichen Teil der Plattform auf einem runden Sockel verankert. Als ich das Ende der Stange erreicht hatte, wurde ich fast vollständig unter Wasser gedrückt und musste krampfhaft nach Luft schnappen, wenn der Wellengang meinen Kopf für einen Moment freigab. Es schien nahezu unmöglich, auf die rutschige Oberfläche der Plattform zu gelangen. Ich warf meine rechte Hand nach oben, um mich an dem schmalen Vorsprung festzuhalten, rutschte jedoch sofort wieder ab und konnte mich nur mit Mühe mit der Linken an der Stange festhalten. Es musste doch irgendwie zu schaffen sein, auf die verdammte Plattform zu klettern. Andererseits: Was würde mir das bringen?
    Die nächste größere Welle wogte heran und hob mich sanft nach oben. Entschlossen stieß ich mich vom Sockel der Stange ab und versuchte, mich von der Welle hochziehen zu lassen. Einen zweiten Versuch würde ich nicht haben. Entweder - oder.
    Eine aus der Plattform herausstehende Rippe drückte schmerzhaft gegen meinen Brustkorb. Ich lag auf der nassen, kalten Metallplatte, wo die Welle mich unsanft abgesetzt hatte. Meine Beine hingen ins Wasser, während sich meine Hände zitternd vor Anstrengung an einem Vorsprung festklammerten.
    Glück gehabt! Aufatmend robbte ich zur Mitte der Plattform, die nicht ganz so glatt war, wie ich befürchtet hatte. Auf ihrer Oberfläche befanden sich ohne ersichtliche
Ordnung unterschiedlich hohe Rippen und schmale, zwei bis drei Zentimeter hohe durchsichtige Rohrstutzen, aus denen die bläulichen Lichtreflexe der Fata Morgana in einem Funkenwirbel heraussprudelten.
    Die Plattform lag viel ruhiger im Wasser als unser Boot. Es gelang mir sogar, mich aufzurichten. Triefend und in der eisigen Umarmung des Windes vor Kälte zitternd, stand ich vor einer zauberhaften Kulisse. Warum nur konnte eine so heimtückische und grausame Lüge von so berauschender Schönheit sein, viel schöner, als die Wirklichkeit hätte sein können?
    Anstelle verfaulter Holzbalken und Deckpaneele umgab mich in bunten Farben schillerndes Segeltuch, und anstelle eines modrigen Lagerraumgeruchs umwehte mich der mit feinem Ozon und Meersalz getränkte Wind. Jede Bewegung der Segel und jedes Schwanken des Klippers gebaren neue türkisfarbene Lichtblitze und Salven violetter, blauer und grellweißer Funkenregen.
    Vielleicht lag es daran, dass sich hinter jeder Lüge ein Traum verbirgt. Eine echte Lüge muss schön sein, sonst glaubt sie keiner. Nur die Wahrheit kann sich den Luxus leisten, hässlich zu sein.
    »Dima! Dimka!«
    Wie aus der Ferne drangen Stimmen durch den Lärm des Windes und der Wellen. Während ich noch die bizarre Kehrseite der Fata Morgana mit ihren mörderischen Messern betrachtete, hatte ich die Aliens Nightmare für einen Augenblick völlig vergessen - dabei näherte sie sich bereits der »Bordwand« des Klippers. Timur und Inga standen auf dem Achterdeck am Steuerrad, Tom hantierte an irgendwelchen Tauen am Mast.
    Mit einem Schlag begriff ich, was nun passieren würde.
Der Bug unseres Boots würde das holografische Phantom berühren und durchstoßen. Einen Moment später würde sich die Aliens Nightmare mit seiner nichts ahnenden Besatzung im Innern des Klippers wiederfinden. Schrecken und Begeisterung würden folgen, Momente der atemlosen Verzauberung, in der die fantastische Schönheit des Blendwerks alles überstrahlen würde. Und dann würde das Boot durch den blauen Nebel hindurch auf die Plattform zutreiben.
    Die stählernen Rammsporne würden die dünnen Bretter unseres Boots in Stücke hacken. Dieser Höllenapparat war nichts anderes als eine rotierende Fräse. Meine Freunde würden entweder von den Wellen weggespült und ertrinken oder das Schicksal des Bootes teilen. Wer sich wie durch ein Wunder auf die Plattform würde retten können, wäre auch verloren. Denn der Klipper des Verrückten Kapitäns würde niemals an Land gehen.
    Sollte ich nun schreien? Oder ins Wasser springen und

Weitere Kostenlose Bücher