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Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov

Titel: Die Ritter der vierzig Inseln - Rycari Soroka Ostrovov Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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der sich auf die andere Bordseite geworfen hatte, um die Wucht meines Sprunges auszubalancieren.
    Mit unsicheren Schritten torkelte er zurück. Er wirkte ungewohnt schlaff, und seine sonst so gesunde Gesichtsfarbe war einem fahlen Grau gewichen.
    »Ist dir schlecht?«, fragte ich.
    Timur nickte. Erschrocken stellte ich fest, dass sein Gesicht mit einem Mal blau wurde. Ebenso bei Inga und Tom. Und auch die Planken unseres Bootes waren von einem bläulichen Schein überzogen.
    Eine Welle grellen blauen Lichts ergoss sich über uns, und wie aus dem Nichts erhob sich ein warmer Wind. Für einen Augenblick sahen wir noch einmal den Klipper des Verrückten Kapitäns: Als lächerlich kleines, höchstens ein Meter großes Spielzeugmodell hing er über der von rosa-weißem Schaum überzogenen Plattform. Dann ertönte ein dumpfes Plopp, und auch der letzte Überrest
des gigantischen Blendwerks war verschwunden. Zurück blieb nur ein rosa schimmernder Haufen, aus dem tote, stählerne Spinnenbeine kreuz und quer herausragten.
    »Wir hatten gedacht, du bist unter das Schiff getaucht«, sagte Inga leise. Ich dachte, sie würde noch etwas sagen, aber sie schwieg.
    Stattdessen rief Timur: »Schaut!«
    Um uns herum hatte das Meer Feuer gefangen. Auf der Wasseroberfläche züngelten blassblaue Flammen. Es sah aus, als hätte jemand selbst gebrannten Wodka aufs Meer gegossen und ihn angezündet. Schaumflocken, die sich von den Wellenkämmen lösten, verwandelten sich in sprühende Funkenwolken, die nach wenigen Augenblicken verglühten.
    Für kurze Zeit war es taghell geworden.
    »Die Wunder gehen weiter«, stellte Inga ziemlich ungerührt fest. »Der Klipper hat sich in einen rostigen Metallhaufen verwandelt, und der Sturm...«
    Der Sturm war einfach vorbei. Das blaue Licht und die Flammen auf dem Meer verloschen, die Wellen glätteten sich. Unser Boot segelte wieder durch die Dunkelheit wie zuvor, nur die monströsen Riesenwellen waren verschwunden. Ein feuchter, böiger Wind legte die Meeresoberfläche in sanfte Falten. Der ganze Spuk war mit einem Mal verpufft.
    Lüge. Alles Lug und Betrug. Nachdenklich hielt ich die Hand über die Bordwand ins kalte Wasser und schöpfte mir eine Handvoll davon ins Gesicht. Ein schönes Märchen glaubt man leichter, wenn es schauerlich erzählt wird. Der Klipper des Verrückten Kapitäns, der im strahlenden Sonnenschein über ein spiegelglattes Meer segelte - das hätte doch kein Mensch geglaubt!

    Alles Lug und Betrug!
    »Setz das Segel, Tom«, rief ich und marschierte zum Steuerrad. »Wir sind gar nicht mehr weit von unserer Insel entfernt. Bei diesem Wind kannst du doch bestimmt auch einen Waschzuber mit Leintuch segeln, nicht wahr?«
    Die stählerne Klinge meines Schwerts war wie eine eisige Kruste an meinem Oberschenkel festgefroren.

5
    DIE REVOLTE DIE REVOLTE
    Der Himmel wollte sich nicht aufhellen, obwohl wir das unerklärliche Gefühl hatten, dass die Nacht zu Ende ging. Vielleicht kam es daher, dass wir einfach nicht mehr schlafen konnten. Ein Hauch von Morgendämmerung lag über dem Meer.
    Die Aliens Nightmare passierte noch die Küsten von zwei oder drei Inseln, dann konnten wir vage die wohlbekannten Formen der Festung auf der Insel Nr. 24 ausmachen. Das Ruder hart backbord gelegt, steuerte Tom das Boot unter einer der Brücken hindurch. Die uns umgebende Düsternis schien sich noch zu verdichten. Endlich hoben sich vor dem flackernden Hintergrund eines fernen Wetterleuchtens die eckigen Konturen unserer Burg ab.
    In jenen Augenblicken, als wir uns der Insel näherten, beschlich mich eine Regung, die ich nicht zulassen wollte, nicht zulassen durfte: das Gefühl, heimzukommen. Während es sich mit seiner schmeichlerischen Wärme in mir ausbreitete, empfand ich es als kaum verzeihliche, beschämende Schwäche. Denn die Burg des Scharlachroten Schildes war mitnichten mein Zuhause, sondern mein Gefängnis!
    In voller Fahrt rammte sich das Boot in den flachen Sandstrand. Wir hatten die Entfernung völlig falsch eingeschätzt. Die Wucht des Aufpralls schleuderte mich mitten in die Überreste unserer Kajüte, während Tom
und Inga sich am Mast festhalten konnten. Timur dagegen flog in hohem Bogen über Bord und landete direkt am Ufer. Nachdem ich mich mühsam aus dem Brettergewirr befreit hatte, kletterte ich aus dem Boot und stapfte eilends durch den Sand zu Timur. Unter normalen Umständen hätte man sich um ihn keine Sorgen machen müssen, aber jetzt, da er verwundet war, wollte ich so

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