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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Morgentrunk in altgewohnter, fürsorglicher Weise. Hab Dank für diese Aufmerksamkeit, Du alter, treuer Spezial Du!«
    Er nahm Handtuch und Seife aus einer Seitentasche des Felleisens und trat an das Wasser, um sich zu waschen. Bei dieser Gelegenheit können wir uns den noch jungen Mann etwas näher betrachten.
    Die Kleidung eines gewöhnlichen Handwerksburschen, welche er trug, hatte durch den Gewitterregen, die Irrfahrt im Walde und das Nachtlager auf den Steinen bedeutend gelitten. Dem nach schien er ein Eisenarbeiter, vielleicht Schlosser oder Schmied zu sein; aber die kleine, feine, weiße Hand, mit welcher er jetzt das schadhaft gewordene Gewand in Ordnung zu bringen suchte, konnte unmöglich sich viel mit Hammer und Zange beschäftigt haben.
    In seiner Haltung lag etwas soldatisch Strammes und in jeder seiner Bewegungen sprach sich eine Rundung, eine Gewandtheit aus, die man nur bei Leuten zu suchen gewohnt ist, welche den sogenannten bessern Ständen angehören. Der Kopf war nicht eigentlich schön zu nennen; aber die hohe, breite, gedankenreiche Stirn, die von kühngeschwungenen Brauen begrenzten, geistvollen Augen von jener Unbestimmtheit der Färbung, welche meist auf eine ungewöhnliche intellectuelle Begabung schließen läßt, die fein und leicht gebogene Nase, der etwas sarkastische Zug um den vollzähnigen und von einem sorgfältig gepflegten Bärtchen beschatteten Mund, die Energie und Schärfe des ganzen Mienenspieles mußten einen Eindruck bewirken, den der Menschenkenner mit dem Prädikate »bedeutend« bezeichnet hätte.
    Nach Beendigung der Toilette warf er den Tornister auf den Rücken, wies der Mütze ihre kecke Stellung auf dem gegen die damalige Mode kurzgeschnittenen Haare an, überflog sich mit einem letzten, befriedigten Blicke und wandte sich zum Gehen.
    »So; das paßt ja Alles ganz prächtig. Etwas Lüderlichkeit gehört mit zum rußigen Handwerke: die Stiefel sind offenherzig; die Hose hat einen Riß; das Hemde dämmert zwischen Weiß und Schwarz, und der Ellbogen gukt in die Welt. Aber in der Hauptsache ist der Kerl ganz, und ich habe als halbwüchsiger Junge oft genug zum Vergnügen auf das Ambos unsers Schloßschmiedes gepocht, um mir genug Fertigkeit zutrauen zu dürfen, auch jetzt, wo es mir mit der Hämmerei wenigstens auf eine Weile Ernst sein muß. Denn der Gesuchte hält sich jedenfalls in und um Ernstthal auf, und ein einfacher Schmiedegeselle wird bei ihm keinen Verdacht erregen, zumal er mich nicht persönlich kennt. Und haben muß ich ihn um jeden Preis. Vorwärts also!«
    Noch nicht lang war er am Bache aufwärts gegangen, als er seitwärts eine halblaute Stimme sprechen hörte. In der Absicht, sich nach dem Wege zu erkundigen, nahm er die angegebene Richtung und trat um eine von Haselbüschen gebildete Ecke. Kaum aber hatte er die Biegung hinter sich, so blieb er überrascht stehen.
    Vor ihm öffnete sich eine kleine, von duftigem Ruchgras und Waldblumen bedeckte Lichtung. In der Mitte derselben stand ein Körbchen, gefüllt mit Erdbeeren, und daneben kniete eine weibliche Gestalt, welche, wie der erste Blick zeigte, in lautem, inbrünstigem Gebete lag.
    Fast hätte ihn die Discretion zurückgezogen; aber die Betende stand unter einer solchen Fülle von Anmuth und Schönheit, daß er wie eingewurzelt stehen blieb und den Körper weit vorbeugte, um sich keins ihrer Worte entgehen zu lassen.
    Es war ein Mädchen. Langes, schwarzes, lockiges Haar hing entfesselt über den enthüllten Nacken herab und umrahmte eine reine, weiße Stirn von so idealer Rundung, wie man sie fast nur bei denjenigen Figuren unserer Gemäldegalerieen zu sehen gewohnt ist, welche den Sieg der Idee über die Gewöhnlichkeit körperlicher Formverhältnisse documentiren. Das kleine, feingezeichnete Näschen mit seinen rosig angehauchten Flügeln gab dem klassischen und doch so weichen Profile die edelste Vollendung. Die Lieblichkeit des Mundes, bei dessen leisen Bewegungen sich zwei leicht aufgeworfene Lippen küßten und den Anblick der perlenkleinen, elfenbeinernen Zähne gestatteten, mußte jedem seiner Worte Bedeutung geben, zumal die Stimme in jener klangvollen Tiefe modulirte, welche man am öftersten bei einem an Gemüth und Empfindung reich ausgestatteten Wesen beobachtet. Das tadellos geformte Kinn schloß das schöne Oval eines Gesichtchens, dessen Züge so hold, so ergreifend waren, daß man sich bei ihrem Anblicke unwiderstehlich gefesselt fühlen mußte, und auf der zarten Wange lag jene

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