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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kind und dazu fast blind. Das Mädchen geht in den Wald, um durch das Grün desselben ihre Augen zu stärken und Linderung ihrer Noth zu finden. Häuft nicht noch mehr Unglück auf die armen, braven Leute!«
    »Papperlappapp! Als wenn es ein Unglück wäre, wenn ein Cavalier ein Mädchen, die nichts als ihr Lärvchen besitzt, mit seiner Zuneigung beehrt! Und nur um des Mitleides willen eine Jagd aufgeben, welche bei so wenig Gefahr so viel Vergnügen verspricht, das würde doch wahrhaftig die horribelste Eselei sein.«
    »Ganz gefahrlos will ich das Vergnügen nicht nennen. Das arme Kind kommt zwar nie in Gesellschaft oder gar auf den Tanz, aber doch ist sie der Liebling der ganzen Ernstthaler Burschenschaft, und ich meinerseits möchte nicht wagen, ihr ein Leid zu thun.«
    »Pah, was scheere ich mich um Eure Burschenschaft! – Habe ihnen schon manches Täubchen weggefangen, ohne es zu bezahlen, und manchem fürwitzigen Burschen, ohne daß er gemuxt hätte, den Stock da angemessen. Daß mich die Sippe im Magen hat, weiß ich, aber ich will doch einmal Den sehen, der es wagt, mir die Zähne zu zeigen, wenn ich einmal einer alten Holzdiebin den Korb zertrete oder einer jungen Herzensspitzbübin in die Backen kneipe. Man hat eben als Edelmann so seine Passionen, und giebt es dabei eine kleine Faustaffaire, so nimmt man sie zur Unterhaltung mit in den Kauf. Und heut, da es sich um die Schönste unter Euern Schönen handelt, würde ich keine Störung dulden und wenn der ganze Krethi und Plethi Euers Spulwurmnestes sich gegen mich auf die Beine machte! Wie heißt sie denn eigentlich und wo wohnt sie?«
    »Weiß nicht«, war die kurze, abweisende Antwort.
    »Du! Glaubst Du wirklich in diesem Tone mit mir fertig werden zu können? Sei gegen den Gast Deines Herrn etwas manierlicher und bemaßstabe meine Handlungsweise nicht mit plebejischen Ansichten. Du bist zu meinen Diensten commandirt und hast Dich nach meinen Intentionen zu richten!«
    »Es ist mir bei meiner Instruction kein bestimmter Ton für den Umgang mit Euch vorgeblasen worden, und als Wegweiser bei Euern Wanderungen durch unser Revier habe ich keineswegs die Verpflichtung übernommen, Euern Lüsten als Helfershelfer zu dienen. Ueberhaupt scheinen mir unsre plebejischen Ansichten nobler und ehrenwerther zu sein als Eure vornehmen Passionen. Adieu!«
    »Karl!« – –
    Er hob drohend den Stock, aber der alte Holzbegeher war schon hinter den Büschen verschwunden, und fluchend und wetternd wandte er sich nun dem Mädchen zu. In der Rechten gravitätisch das Rohr, die Linke an den Berloquen der schweren, weit herabhängenden Uhrkette, trat er mit selbstgefälliger, siegesgewisser Miene auf die Lichtung.
    »Was wälzt sich denn das Jungferchen hier im Grase herum, als hätte sie dies allerdings hübsche und verschwiegene Plätzchen von der hohen Forstverwaltung zu ihrem Privatgebrauche gepachtet?«
    Sie war gleich bei den ersten Worten erschrocken aufgesprungen und suchte ihm ihre Hand zu entziehen, die er sofort ergriffen hatte.
    »Ah, Beere gesucht, mein Herzchen? Na, das ist zwar eigentlich nicht erlaubt; denn Alles, was im Walde wächst, gehört dem Landesfürsten, und grad unter dem Vorwande des Beerensuchens wird der meiste Unfug und Frevel getrieben; aber einem so hübschen Kinde gegenüber weiß Unsereiner recht wohl galant und nachsichtig zu sein. Nur hoffe ich, daß Du das auch anerkennst.«
    Er versuchte seiner Stimme einen zarten Klang zu geben; aber der Erfolg dieser Anstrengung war ein durchaus verunglückter. Zitternd und mit niedergeschlagenen Augen stand sie vor ihm; die Gluth der Scham bedeckte ihr Gesicht von der Stirn bis zum Nacken und die bebenden Lippen vermochten vor Angst keinen Laut auszusprechen. Sie fühlte die Gier, mit welcher sein leidenschaftlicher Blick sie verschlang, und wußte sich doch zu schwach zum Widerstande gegen den starken, riesenkräftigen Mann.
    »Also komm, mein Täubchen, und fürchte Dich nicht. Heut darfst Du mir nicht entfliehen, wie Du bisher immer gethan hast!«
    Er zog die Widerstrebende an sich und suchte ihren Mund zu finden. Sie sträubte sich mit allen Kräften gegen die Umarmung des Verhaßten und warf, vor Schreck noch immer wortlos, das verschleierte Auge hülfesuchend im Kreise umher.
    Da ertönte ein scharfer, gellender Pfiff. Ueberrascht ließ der Zudringliche seine schöne Beute fahren und drehte sich um.
    Dort am Haselstrauche stand, die Hände leicht auf den Griff des damals bei fahrenden Schülern

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