Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten
und wandernden Handwerkern üblichen Ziegenhainers, der Handwerksbursche und verfolgte mit sichtlicher Befriedigung die Bewegungen des Mädchens, welches das Körbchen ergriffen hatte und beflügelten Fußes davon eilte.
»Alle Wetter, welch ein freches, unverschämtes Subject. Diesem Menschen muß man Mores lehren!«
Mit zurückgeworfenem Kopfe, steifgespreizten Beinen und imponirender Amtsmiene schritt er auf den Genannten zu, stellte sich breitspurig vor ihm hin und maß die leichte, zierliche Gestalt desselben mit einem Blicke der unverholensten Verachtung.
»Wer ist man denn, he, daß man es wagt, einen Forstbeamten auf dessen eigenem Reviere anzupfeifen wie einen Windhund?«
Der stille, männliche Ernst auf dem Angesicht des Angeredeten machte einem Lächeln der Belustigung Platz; aber einer Antwort wurde der Frager nicht gewürdigt.
»Wie es scheint, kann der Patron besser pfeifen als sprechen; vielleicht löst ihm dieses Instrument da die Zunge. Also, wer bist Du, wo kommst Du her und was hast Du hier zu suchen?«
Ein leichtes, verächtliches Zucken des Schnurrbärtchens war die einzige Antwort. Da hob der »Blauweiße« das Rohr höher.
»Na, wie wird’s? Man wird wohl einen armseligen Klopffechter nach dem Woher und Wohin fragen dürfen, wenn er sich da herumtreibt, wo es weder Weg noch Steg giebt! Also Antwort; ich spaße nicht!«
Wieder erfolgte keine Antwort, aber ein kleines, ungeduldiges Fältchen am Augenwinkel ließ vermuthen, daß nicht Theilnahmlosigkeit die Ursache dieses Schweigens sei.
»Also nicht? Da paß auf; ich zähle bis drei, und das Uebrige wird sich finden. Wer bist Du? Eins! – zwei! –«
Jetzt endlich richtete der Bedrohte den Blick voll und fest auf den Jägersmann, und während dieser Blick den Gegner langsam vom Hütchen bis herunter zur Stiefelspitze übermaß, ward er immer schärfer und stechender. Das Auge öffnete sich weiter und weiter, durchlief, immer dunkler werdend, alle Farbentöne vom hellsten Grau bis zum tiefsten Braun, und heftete zuletzt so flammend und durchbohrend auf dem zornesrothen Angesichte des Blauröckigen, daß dieser der Gewalt des siegesgewissen Blickes nicht zu widerstehen vermochte und Arm und Stock sinken ließ, ohne die »drei« ausgesprochen zu haben.
»Ah …!« – –
Es war der erste Laut, den der fremde Wandersmann hören ließ, und während dieses Wort von der tiefsten Baßlage aus alle Töne bis hinauf zur höchsten Stimmung durchlief und dann in raschem, energischen Tonfalle zurückvibrirte, lag in ihm eine ganze Welt von Verachtung, Spott und Geringschätzung. Seine Gestalt schien zu wachsen; die Schultern traten in die Breite; die Brust ging frei und hoch; der Kopf, dessen Ausdruck in diesem Augenblicke des Affectes das verkörperte Ideal männlichen Stolzes und Selbstbewußtseins repräsentirte, warf sich leicht in den Nacken; die Linke streckte sich gebieterisch fortweisend aus; die Rechte zog in geschicktem Wirbel den Knotenstock um das Haupt, und, den Gegenüber mit dessen eigener Taktik schlagend, erklang es kurz und bestimmt:
»Kehrt! – – Marsch! – – Eins! – – Zwei! –«
Auge in Auge standen sich die Männer einige Augenblicke lang gegenüber, und es schien fast unentschieden bleiben zu wollen, welcher von Beiden den ersten Schritt nach rückwärts thun werde. Wie aber stets und immer der Geist den Körper dominirt und kein physisch noch so verschwenderisch ausgestatteter Bramarbas dem ächten Muthe auf die Dauer zu widerstehen vermag, so siegte auch hier die geistige Ueberlegenheit des Einen über die körperliche Kräftigung des Andern.
Von der niegeahnten Macht eines leuchtenden Menschenauges und der jeden Widerspruch ausschließenden Haltung des Handwerksburschen vollständig verwirrt und verblüfft, trat der Junker erst langsam und zögernd zurück, machte dann bei der ominösen »Zwei« rechtsumkehrt und verschwand unter grimmigen Drohungen erst zaudernden und dann rascheren Schrittes zwischen den Sträuchern.
Bis dahin war ihm der drohende Blick des Siegers gefolgt, und als sich die Zweige hinter den blanken Stiefeln, dem blauen Sammetrock und der wallenden Perücke schlossen, ertönte ein kurzes, helles Lachen zwischen den Lippen, die vorhin so beharrlich geschwiegen und dann mit vier Sylben den Enakssohn in die Flucht geschlagen hatten.
»Das war er, einst Offizier und jetzt Lump im Cavalierskleide; ich werde ihn fassen und sein König wird ihn richten!«
Dann schritt er der Stelle zu, auf
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