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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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Moment packte ihn die Furcht. Erst hatte er überlegt, was der Auslöser sein könnte. Er hatte keine Diarrhöe mehr, der Puls war normal, keine Infektionen. Es schien keine Gefahr zu drohen. Kein Raubtier, keine feindlichen Menschen. Alles war eigentlich ein großes Idyll. Regungslose Ochsen, schlafende Männer unter einem Wagen.

    Es geht um mich, hatte er gedacht, als er sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn wischte. Es geht darum, daß ich mich hier mitten in einem unwirklichen Idyll befinde. Er meinte plötzlich, Professor Enander vor sich zu sehen und hörte sein Worte: Wir werden einen Leichnam aufschneiden, der schon zu Lebzeiten ein Kadaver war.
    Ihm fiel ein, wie er damals ohnmächtig geworden war und daß es eine Flucht gewesen war. Eine Flucht davor, sehen zu müssen, wie der Bauch aufgeschnitten wurde und die Eingeweide herausquollen. Jetzt befand er sich mitten in einem sonderbaren Idyll in den südlichen Gebieten Afrikas, unterwegs mit unbekanntem Ziel: zu einer bisher nicht benannten, katalogisierten oder identifizierten Fliege, oder einem Schmetterling möglicherweise.

    Plötzlich konnte er der Furcht direkt ins Gesicht sehen. Die Unternehmung, der er sein Leben zu weihen beschlossen hatte, eine Expedition, bei der es äußerst fraglich war, ob er überhaupt lebendig zurückkehren würde, war ebenfalls eine Flucht. Auf die gleiche Weise wie damals, als er im Anatomischen Theater ohnmächtig geworden war. Jetzt stand er auf einer anderen Bühne. Die afrikanische Landschaft, die regungslosen Ochsen, die schlafenden Männer unter dem Wagen, alles war eine Kulisse. Er befand sich mitten in einem Schauspiel, das von seiner eigenen Flucht handelte. Aus Hovmantorp und vor den mahlenden Kiefern, vor dem gescheiterten Studium in Lund, dem gescheiterten Leben. Von nichts anderem.

    Er betrachtete den Revolver, den er in Kopenhagen gekauft hatte und der jetzt geladen zu seinen Füßen lag. Es wäre sehr einfach, sich das Leben zu nehmen, dachte er. Ein paar simple Handbewegungen, ein Knall, den ich selbst nicht mehr wahrnehmen würde. Vermutlich würden die Ochsentreiber mich an Ort und Stelle begraben, meine Habe unter sich aufteilen und sich in verschiedene Richtungen zerstreuen. Möglicherweise würden sie über die Ochsen in Streit geraten, da sie selbst zu viert sind, es aber nur drei Ochsen gibt. Bereits dann hätten sie vergessen, daß ich überhaupt existiert habe. Und ich hätte nie gelernt, wie ihre Namen, die zwei, die nur aus Konsonanten zu bestehen scheinen, eigentlich ausgesprochen werden.
    Er stand auf und verließ den Schatten des Sonnenschirms. Einer der Ochsen sah ihn an. Die Hitze war überwältigend. Er stellte sich unter einen knorrigen Baum, den einzigen, der sich an ihrem Rastplatz befand. Ich fürchte mich, weil ich nicht weiß, wer ich bin, dachte er. Wenn das alles eine Flucht vor einem von Anfang bis Ende sinnlosen Studentenleben gewesen ist, so war es in noch höherem Grad eine Flucht vor mir selbst. Ich habe nächtelang getrunken und die Existenz Gottes geleugnet. Aber das war nichts als besoffenes Geschwätz. Ich glaube an einen Gott, an einen strafenden und richtenden Gott, der allgegenwärtig ist. Ich habe mich geschämt, wenn ich in Schonen onanierend an den Feldrändern saß. Ich habe die ganze Zeit geahnt, daß mich jemand beobachtete, wenn Matilda auf mir ritt. Ich habe den Liberalen gespielt. Habe mich zu der neuen Welt bekannt, welche die Ingenieure und der Dampf erschaffen werden. Ich war voller Verachtung, damals, als der Pfarrer Cavallius in Hovmantorp behauptet hat, die Eisenbahn wäre eine Erfindung des Teufels. Ich spiegele Zukunftsglauben vor, Widerstand gegen alles Althergebrachte, während ich mich in Wirklichkeit vor allem fürchte, was ich nicht voraussagen kann. Ich bin der am wenigsten Geeignete, um hier unter diesem Baum in Afrika zu stehen, als Leiter einer Expedition, auf der Jagd nach einem unbekannten Insekt. Wackman hatte natürlich völlig recht. Er sah durch mich hindurch, sah den Narren hinter dem verlogenen Ernst.
    Er kehrte zum Sonne nschirm zurück. Die Furcht bildete einen Knoten in seinem Magen. Er faltete die Hände und sprach ein Gebet. Ich suche eine Wahrheit, die nicht groß sein muß. Wenn es sie nur gibt. Amen.

    Neka, fett und unförmig, war aufgewacht. Jetzt stand er am Baum und pinkelte. Dann kehrte er zum Wagen zurück und schlief wieder ein.
    Bengler fiel wieder der englische Wissenschaftler ein, mit seinen Thesen, die

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