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Die rote Antilope

Die rote Antilope

Titel: Die rote Antilope Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henning Mankell
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sie in langen Nächten im Haus des Studentenverbands von Småland diskutiert hatten. Der Mann war mit einem Schiff der britischen Admiralität um die Erde gereist und dann nach England zurückgekehrt und hatte behauptet, der Mensch sei ein Affe. Bei den aufgeregten Diskussionen hatte Bengler selten etwas gesagt. Die Theologen hatten geschlossen auf der Seite Gottes gestanden, sie hatten mit den Worten der Bibel gegen die anstürmenden Truppen der Freidenker geschossen. Und die Freidenker hatten sich mit Darwins Instrumenten ausgerüstet und die Argumente der Theologen mit kleinen scharfen Messern seziert. Er selbst hatte meist schweigend dabeigesessen und zugehört. Jetzt dachte er, die Furcht sei wohl damals schon dagewesen. Die Furcht davor, daß Gott aufhören könnte zu existieren. Ob seine Großmutter eine Äffin war, spielte weiter keine Rolle.

    Er konnte jetzt alles ganz klar sehen. Die Furcht, die wie ein Fernrohr war, das er benutzen konnte, um zurückzublicken. Und was er sah, war nichts. Ein Mensch aus Småland, der an nichts glaubte, der eigentlich nichts wollte, der aufgrund enormer Eitelkeit nach einer Fliege suchte, der er seinen Namen geben konnte.

    Gleichzeitig dachte er, darin könnte auch eine Lösung liegen. Die Expedition könnte er dazu nutzen, um einen Sinn in seinem Leben zu finden. Er konnte sich aussuchen, ob es einen Gott gab oder ob es die Ingenieure waren, welche die Welt formten. War Gott in einem Himmel oder befand er sich in den Eisenträgern, welche die neuen Fabriken, die neue Welt zusammenhielten? Der Weg, der in die Wüste führte, und anschließend deren weglose Weite würden ihm die Zeit geben, die er brauchte, um eine Antwort zu finden.
    Langsam merkte er, wie die Furcht wich. Er schloß die Augen. Hinter seinen Lidern brannte die Sonne weiter.
    Sie brachen am Nachmittag auf. Im Wechsel ging er an der Spitze, neben dem Wagen, oder als letzter. Der Magnet hatte seinen Griff gelockert. Er fühlte sich aufgekratzt.
    Sie hatten gerade einen Sumpf erreicht, den sie im Bogen umgehen mußten, um die niedrigen Berge zu erreichen, die dahinter lagen. Der Karte zufolge bildete die Bergkette die äußerste Grenze der Wüste, die ihnen dann allmählich entgegenschleichen würde. Da brach ein Wagenrad. Der Wagen knickte seitlich ein, die Ochsen blieben stehen, und er trat heran, um den Schaden zu begutachten. Hinter ihm standen schweigend die Ochsentreiber. Er versuchte herauszufinden, ob es möglich wäre, das Rad zu reparieren. Aber mehrere von den dicken Speichen waren gebrochen. Sie würden das Ersatzrad montieren müssen, das Wackman ihnen aufgedrängt hatte, trotz seines Gewichts und obwohl der Wagen bereits zu schwer beladen war. Er erklärte Amos, der vielleicht der Führer der anderen war, mit Armen und Händen, daß das Rad gewechselt werden müßte. Dann ließ er sich seinen Klappstuhl und den Sonnenschirm bringen und setzte sich hin, um die Arbeit der Ochsentreiber zu überwachen.
    Die Furcht war schlimm gewesen. Aber die Verachtung, die ihn jetzt überkam, war glühend. Er beobachtete die unbeholfenen Versuche der Ochsentreiber, den Wagen abzustützen, das deformierte Rad zu entfernen und ein neues einzusetzen. Auch wenn er selbst seine Hände nie zu praktischer Arbeit benutzt hatte, konnte er doch beurteilen, auf welche Weise das Ganze vor sich zu gehen hatte. Nach einer halben Stunde war er so empört über ihre Ungeschicklichkeit und Langsamkeit, daß er aus dem Klappstuhl aufsprang und anfing, sie zu kommandieren. Einmal in meinem Leben bin ich doch zur Militärperson geworden, dachte er zornig. Und zwar, weil ein paar verdammte Schlappschwänze nicht imstande sind, ein Rad zu wechseln. Als er erst einmal die Führung übernommen hatte, merkte er, daß seine Erregung eher noch zunahm. Er fing an zu schreien und fuchtelte herum und stieß jeden weg, der einen Fehler machte. Es erstaunte ihn, daß keiner der Männer protestierte oder auch nur das geringste Anzeichen von Irritation über diese Behandlung erkennen ließ, und das fachte seine Erregung noch mehr an. Als das neue Rad montiert war, verlangte er, sie sollten das Tempo steigern, um die verlorene Zeit aufzuholen. Aber welche Zeit ist eigentlich verloren? dachte er dann. Welchen Weg können wir morgen nicht zurückgehen? Welche Wegstrecke müssen wir heute zurücklegen? Die Expedition hat kein Ziel.
    Trotzdem trieb er sie an. Die Raserei war jetzt an die Stelle der Furcht getreten. Zum ersten Mal in seinem Leben

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