Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
schwang und sich in eine lebendige Taube verwandelte, die sich oben auf den Schrank setzte, während bei Harfenmusik alle Fächer zugingen. Ich wollte den Schrank auf den Marktplätzen testen, da man dort die größte Nähe zu den Zuschauern hatte und sofort merkte, was den Leuten gefiel und was nicht. Ich zimmerte einen Wagen für den Schrank und schrieb mit roten Buchstaben darauf:
Zirkus der Göttlichen Ordnung
. Dann machte ich mich auf den Weg in die Stadt, ohne viel Geld mitzunehmen, denn ich wollte versuchen, von meinen Vorstellungen zu leben. Wenn das gutging, wollte ich ein Patent auf den Schrank anmelden, es mit einer Vereinbarung über eine prozentuale Beteiligung an irgendeine große Firma verkaufen und anschließend den
Zirkus Wallenda
erwerben und aus den Klauen der Banken retten.
Ich war im Zug eingeschlafen, wurde aber vom Lärm auf dem Bahnsteig geweckt. Eine Gruppe Männer drängelte sich mit lüsternen Blicken um etwas, das ich nicht sehen konnte. Endstation. Ich nahm meinen Koffer und stieg aus dem Zug. Der Zirkuswagen mit dem Schrank stand bereits auf dem Bahnsteig. Um zu ihm zu gelangen, musste ich an dem Pulk vorbei. Ich erreichte den Wagen, doch als ich ihn an der Gruppe vorbeizog, stürmte ein Mann aus dem Gedränge und prallte gegen mich, sodass ich niedergerissen wurde und meinen Koffer verlor, der dabei aufging. Ich warf einen Blick über die Schulter. Mitten in dem Pulk saß eine Frau und versuchte, ihre Nacktheit mit den Händen zu verdecken. Dennoch schien sie Kleider zu tragen. Die Männer hielten ihr Geldscheine vors Gesicht und versuchten, sie durch unanständige Angebote zum Mitgehen zu bewegen. Als ich ihr Profil betrachtete, ergriff mich tiefes Mitleid. Sie sah mich an, direkt in meine Augen, und lächelte. Für einen Augenblick war ich gefesselt von ihrer Schönheit. Obwohl viele versuchten, die Aufmerksamkeit der Frau zu erlangen, schaute sie mich weiter lächelnd an, bis ich das Gefühl hatte, etwas unternehmen zu müssen. Mein Blick fiel auf meinen Koffer, der mit meinem halb heraushängenden Zauberumhang offen auf dem Bahnsteig lag. Ohne lange nachzudenken, packte ich den Umhang und drängte mich durch die Menschenmenge.
Als ich die Frau erreicht hatte, legte ich ihr den Umhang um die Schultern, half ihr dann auf die Beine, knöpfte den Umhang zu und stellte den Kragen auf, sodass nur noch ihr Gesicht zu sehen war. Als ich es anblickte, kam ich wieder zu mir. Sie bedankte sich. Wir schauten uns in die Augen. Was jetzt, dachte ich, soll ich gehen oder bleiben? Sie wirkte immer noch schutzlos in diesem pöbelnden Mob aus Schuljungen und Wichtigtuern. Bevor ich wusste, was ich tat, beugte ich mich zu ihr hinunter und flüsterte:
»Ich brauche eine Assistentin für einen Zwei-Personen-Freiluftzirkus, was halten Sie davon?«
»Ich suche Arbeit«, flüsterte sie mir ins Ohr.
Ich schaute ihr wieder in die Augen und stellte mich vor:
»Michael von Blomsterfeld.«
»Maria.«
Ich nahm ihren Koffer und wollte gehen, aber der Menschenauflauf hinderte uns daran. Jemand rief dreist:
»Ich gebe dir hunderttausend Kronen und ein Gemälde von einem berühmten Maler, wenn du mit mir kommst!«
»Lassen Sie uns durch!«, rief ich, aber der Pulk wurde noch dichter als vorher. Neben mir wedelte ein junger, stämmiger Mann mit Geldscheinen in der Luft herum und grölte:
»Warum gehst du mit diesem Clown? Schau her, ich habe zweihunderttausend in bar und ein schickes Haus in den Bergen.«
Ich tat so, als würde ich mich mit ihrem Koffer beschäftigen, der aus Holz war. Dann hob ich ihn schnell hoch und schwang ihn mit voller Wucht gegen den Kerl. Bewusstlos fiel er dem nächsten Mann in die Arme. Nun hatten wir ein bisschen Platz, und ich rief:
»Will sonst noch jemand meine Frau beleidigen?«
Niemand trat vor.
»Nein? Dann lassen Sie uns bitte durch!«
Jetzt bildete sich eine Öffnung in der Menge, und ich gelangte zu meinem Koffer, sammelte die herausgefallenen Kleidungsstücke auf, schloss ihn und stellte ihn dann zusammen mit Marias Gepäck auf den Wagen. Obwohl die Leute flüsternd Beleidigungen ausstießen, wurden wir nicht verfolgt. Als wir aus dem Bahnhof traten, fragte Maria:
»Glaubst du, dass mit dem Mann alles in Ordnung ist?«
»Vielleicht hat er ja sogar was davon gehabt«, antwortete ich. Dann gingen wir schweigend nebeneinander her, bis ich fragte:
»Warum trägst du durchsichtige Kleider?«
»Ich weiß es nicht.«
»Moment mal!«
»Gestern Abend, als ich sie
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