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Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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Fröhlichkeit und zogen die Leute an. Gegen halb eins hatte sich eine ziemlich große Gruppe um uns versammelt, und ich sah, dass wir pünktlich mit der Vorstellung beginnen konnten. Ich gab Maria ein Zeichen, die Kinder zu beruhigen und aufzufordern, sich vor den Schrank zu setzen. Die Vorstellung begann.
    Wie ich gehofft hatte, waren nicht nur die Kinder gespannt. Als ich die chinesischen Balanceartisten in Gang setzte, sah ich, dass die Erwachsenen konzentriert zuschauten und herauszufinden versuchten, wie es möglich war, dass die Puppen komplizierte Balanceakte mit Dingen vollführten, die offenkundig nicht befestigt waren. Das Geheimnis lag in einer perfekt eingestellten Magnetvorrichtung: Das magnetische Feld veränderte sich durch variable elektrische Spannung, die von einer eigens von mir entwickelten Automatik gesteuert wurde. Kräfte, die entweder miteinander oder gegeneinander arbeiteten, waren der ganze Trick. Die Dinge, die man durch das Zusammenspiel dieser simplen gegensätzlichen Kräfte vorführen konnte, wirkten unendlich kompliziert, waren aber im Grunde erbärmlich einfach. So wie das Leben.
    Der Mechanismus des
Zirkus der Göttlichen Ordnung
lief so reibungslos wie das uralte Laufwerk der Domuhr, und es kamen immer mehr Leute. Als die Soloauftritte beendet waren und ich sämtliche separaten Teile des Zirkus so miteinander koppelte, dass alle Nummern zeitgleich so schnell abliefen, dass man ihnen kaum folgen konnte – Ordnung schien sich in Chaos aufzulösen und in einer höheren Ordnung, der Göttlichen Ordnung, wieder zu vereinigen –, sah ich in den Gesichtern der Zuschauer, dass ich sie alle gefesselt hatte. Die feuerfesten Akrobaten flogen in immer schnellerem Tempo, bis sie einander aus dem Griff zu verlieren drohten und hoch über den Schrank geschleudert wurden. Da trat der Feuerschlucker auf, und genau in dem Moment, als es so aussah, als würden die Akrobaten auf seinem Kopf landen, spie er eine gigantische Feuersäule in die Luft. Die Akrobaten wurden von der Flamme hochgehoben und flogen ein paar Meter über dem Schrank in ihr weiter. Sie wirkten wie brennende Engel, als sie in der Flamme in der Luft schwebten, und die qualvollenSchreie, mit denen ich das Ganze unterlegte, verstärkten diesen Effekt noch, sodass die Zuschauer begeistert aufschrien. Als die Flamme erstarb, öffnete der Feuerschlucker seinen Mund, und die Akrobaten fielen alle gleichzeitig hinein, auf einen Hebel, der das Zaubererkostüm auslöste, sodass sich der Feuerschlucker plötzlich in einen Magier verwandelte. Mehrere Türen des Schranks klappten urplötzlich zu, der Magier schwang seinen Zauberstab, verschwand im Handumdrehen, und oben auf dem Schrank erschien die Taube. Ich bekam einen gewaltigen Schreck, als ich sah, dass sie nicht festgebunden war, aber da sie keine Anstalten machte wegzufliegen, beruhigte ich mich wieder. Tosender Applaus brach aus. Ich gab Maria ein Zeichen, aufzustehen und die Leute auf die Geldbüchse aufmerksam zu machen. Vor der Büchse bildete sich eine Schlange, und die Leute lachten und übertönten sich gegenseitig mit begeisterten Kommentaren. Ich war überglücklich.
    Wir gaben an diesem Tag noch zwei weitere Vorstellungen, eine am Nachmittag und eine nach dem Abendessen. Sie waren ebenfalls erfolgreich, und das Geld floss in Strömen. Als ich es am Abend zählte, war es gut dreimal mehr, als ich erwartet hatte. Ich hatte noch nicht entschieden, welchen Anteil ich Maria zahlen wollte, und schob es auf.
    An den darauffolgenden zwei Tagen liefen die Vorstellungen auch gut, obwohl mir am dritten Tag ein Problem ziemliches Kopfzerbrechen bereitete. Manchmal meinte ich, Marias Körper durch ihr Clownskostüm durchscheinen zu sehen. Mehrmals schüttelte ich darüber nur den Kopf und redete mir ein, dass es Einbildung sei. Mein Clownskostüm war nicht durchsichtig. Andererseits ließ sich nicht ignorieren, dass die Männer sie manchmal sehr eindringlich musterten. Ein paar Mal sah ich, wie sich jemand an sie heranpirschte und sie heimlich anfasste. Mariabemerkte es kaum, da die Männer ihre Hände sofort wieder zurückzogen, als hätten sie sich verbrannt. Sie schauten sich verdutzt um und hielten sich dann von ihr fern. Je aufdringlicher die Männer wurden, desto erschrockener waren sie, wenn sie sie berührt hatten. Als ein Mann ihr einmal ans Gesäß fasste und seine Hand zurückzog, sah ich, dass sie ihn mitleidig anschaute und sanft sagte:
    »Entschuldigung, mein Herr.«
    Obwohl

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