Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman
stehe. Dr. Peter sah sie beunruhigt an und fragte, ob sie sich einen Moment aufs Sofa legen wolle. Maria entgegnete, das würde sie gerne tun, wenn er in der Zwischenzeit hinüber zum Sekretariat gehen und ihr etwas bringen könne, das ihren Verdacht widerlegte. Dr. Peter bat sie, sich zu entspannen, eine Schlaftablette zu nehmen und am nächsten Tag noch einmal über die ganze Geschichte nachzudenken. Nach einigem Überreden willigte er schließlich ein, die Sache zu überprüfen, wenn sie sich so lange hinlegen würde, und so machten sie es. Während Maria auf dem Sofa lag und wartete, dachte sie:
Er findet nichts. Ich weiß es.
Sie behielt recht. Dr. Peter war schweigsam, als er mit leeren Händen zurückkam und sich in den Sessel setzte.
»Es muss eine natürliche Erklärung dafür geben. Was glauben Sie, Maria? Ist Ihnen so etwas schon einmal passiert?«
Maria dachte an das, was sie ihrem Vater versprochen hatte, und sagte:
»Wir müssen mein Rigorosum absagen, meine akademische Laufbahn ist beendet.«
»Na, na, Maria, wir sollten Ruhe bewahren und nichts übertreiben. Es muss eine Erklärung dafür geben.«
»Können wir den Zeitplan denn überhaupt noch einhalten?« Maria schaute ihn flehend an. Dr. Peter wurde nervös, sagte aber trotzdem:
»Ja, Sie gelten nun mal als die begabteste Studentin, die je an dieser Universität studiert hat, und niemand in der Geschichte unseres Landes hat so viele Stipendien erhalten wie Sie. Außerdem haben einige Professoren Ihre Dissertation bereits gelesen, sodass wir uns, soweit ich es beurteilen kann, daran halten sollten.«
Maria lächelte schüchtern, ging zu ihm und umarmte ihn.
»Es wird bestimmt alles gut«, sagte Dr. Peter und tätschelte ihren Rücken. »Also, wollen Sie sich hinlegen oder nach Hause gehen? Sie müssen am Samstag in guter Verfassung sein.«
»Ich gehe nach Hause. Danke für alles, Dr. Peter, jetzt geht es mir viel besser.«
Am Samstag hatten sich die merkwürdigen Neuigkeiten bereits in der ganzen Universität herumgesprochen, und noch immer war nichts von alldem aufgetaucht, was Maria, die angesehene, aber geheimnisvolle Studentin, an der Universität je geschrieben hatte. Man beschloss, dass sämtliche Professoren und die besten Studenten ihrem Rigorosum, das zwei Tage dauern würde, beiwohnen sollten, und da es keinen Beweis dafür gab, dass sie jemals eine Prüfung an der Universität abgelegt hatte, sollte sie mündlich über den gesamten Lehrstoff geprüft werden. Mit nurwenigen Pausen wurde sie von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends befragt, und niemand schaffte es, ihr eine Wissenslücke nachzuweisen. Sogar Professoren, deren Vorlesungen Maria nie besucht hatte, befragten sie über ihre Spezialgebiete und notierten sich eifrig ihre Antworten und Erwägungen. Am Abend war Maria verständlicherweise ziemlich erschöpft, denn ihr Rigorosum war um sechs Stunden verlängert worden. Am Ende kam Dr. Peter zu ihr und sagte, sie habe sich besser geschlagen, als man zu hoffen gewagt habe, und wenn es so weitergehe, müsse sie sich keine Sorgen machen, auch wenn ihre Dissertation nicht sofort wieder auftauchen würde.
Am nächsten Morgen waren noch mehr Leute gekommen, um Marias Rigorosum beizuwohnen, und obwohl die Aula fünfhundert Personen umfasste, fanden nicht alle Platz. Diesmal waren auch Professoren von anderen Universitäten unter den Zuhörern, außerdem hohe Beamte aus den Kulturbehörden und der Kirche, wie beispielsweise Bischof Jean Sebastian, derselbe Mann, der auch Großvaters Prozess geleitet hatte. Marias Rigorosum verlief wie im Traum, und es schien klar, dass sie ihr Studium mit Auszeichnung abschließen und ihr alle Wege offen stehen würden. Doch gegen Ende erhob sich der Bischof und bat um das Wort. Groß und schlank, wie er war, schwarz gekleidet und vornübergebeugt, erinnerte er an einen Galgen, wie er dort in der obersten Zuschauerreihe stand und mit eingesunkenen Augen auf die Versammlung hinabblickte. Er sprach sofort das Thema an, das niemand zu diskutieren gewagt hatte, dass Maria nämlich, den Universitätsakten nach, nie eingeschrieben gewesen sei, nie eine Prüfung abgelegt habe, nie Hausarbeiten abgegeben habe und dass es im Grunde anzuzweifeln sei, ob es sich bei ihr überhaupt um jene berühmte Studentin Maria handele, da sie kein entsprechendes Dokument besitze, um es zu beweisen.
»Wie kann es sein, dass es in der Universitätsverwaltung keinen einzigen schriftlichen Nachweis dafür gibt, dass die
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