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Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman

Titel: Die Rückkehr der Jungfrau Maria - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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ich ein Geist.
    Sie begann, nach ihrer eigenen Leiche zu suchen, aber die war nirgends. Und ihr Spiegelbild erschien nicht, wie sehr sie auch versuchte, den Spiegel zu überlisten.
    Ich muss für alle unsichtbar geworden sein, außer für mich selbst.
    Sie beschloss, in die Küche zu schleichen, wo ihr Vater die Zeitung las, um sich zu vergewissern, dass sie durchsichtig geworden war. Doch sie war noch nicht lange auf Zehenspitzen um ihn herumgegangen, als er unwirsch sagte:
    »Was willst du, Maria, siehst du nicht, dass ich die Zeitung lese?«
    Also nicht durchsichtig. Aber konnte sie ihn berühren? Mit zitternder Stimme sagte sie:
    »Entschuldige, Papa«, beugte sich zu ihm und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Als sie die Berührung spürte, stiegen ihr Tränen in die Augen, und sie schämte sich. Er legte die Zeitung weg, zog sie auf seinen Schoß, strich ihr über die Augenlider und flüsterte:
    »Was ist los, Prinzessin?«
    Nachdem sie eine Weile geweint hatte, sagte sie schluchzend:
    »Ich habe in den Spiegel geschaut und …«
    »Und was?«, fragte er.
    »Und ich habe gesehen …«
    »Was hast du gesehen?«
    Ihr wurde bewusst, wie lächerlich das war. Er würde sich bestimmt um ihre psychische Verfassung sorgen, wenn sie ihm die Wahrheit sagte. Aber sie musste ihm ihr Herz ausschütten, sonst würde sie den Verstand verlieren. Sie nahm all ihren Mut zusammen und versuchte es noch einmal.
    »Ich habe in den Spiegel geschaut und gesehen, dass ich …«
    Sie verstummte. Jetzt spürte sie, dass sie es einfach nicht erzählen konnte. Und da fühlte sie sich so schrecklich allein auf der Welt, dass selbst die Liebe ihres Vaters sie wie ein Gefängnis umschloss. Sie brach in Tränen aus. Erst jetzt machte sich ihr Vater richtig Sorgen und fragte immer wieder:
    »Was hast du gesehen, was hast du im Spiegel gesehen?«, als hinge ihre Zukunft davon ab. Wenn sie es ihm jetzt erzählen würde, wäre er davon überzeugt, dass sie psychisch krank wäre. Sie musste ihn beruhigen und antwortete leise:
    »Ich habe gesehen, wie hässlich ich bin.«
    Der Vater schaute sie erstaunt an. Dann begann er lauthals zu lachen. Sein Lachen war so herzlich, dass sie davon angesteckt wurde, obwohl ihr überhaupt nicht zum Lachen zumute war. Nach einer geraumen Weile japste er schließlich:
    »Du, hässlich …«
    Dann lachte er wie ein Verrückter, und sie musste einfach mitlachen, obwohl sie am liebsten geweint hätte. Nach einiger Zeit konnte er sich endlich beherrschen. Er blickte ihr tief in die Augen und sagte:
    »Du bist das schönste Mädchen auf der ganzen Welt, Maria.«
    Und so wie alle Väter, die das irgendwann einmal zu ihren Töchtern sagen, meinte er es von ganzem Herzen. Doch als er sie jetzt ansah, wurde ihm klar, dass er wahrscheinlich recht hatte. Erschrocken musterte er sie einen Augenblick und sagte dann:
    »So, und jetzt lass mich mal die Zeitung lesen.«
    Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange, stand auf und ging in ihr Zimmer. Sie schaute nicht in den Spiegel, sondern legte sich aufs Bett.
    Das ist sehr seltsam. Wahrscheinlich habe ich mir das alles nur eingebildet.
    Sie würde sich mit geschlossenen Augen zu dem Stuhl vor dem Kosmetiktisch tasten, anschließend die Augen wieder öffnen und dann bestimmt ihr Spiegelbild sehen. Als sie sich vor den Spiegel gesetzt und gewartet hatte, bis ihr Herz ruhiger schlug, öffnete sie langsam die Augen. Sie sah das Zimmer ganz deutlich, aber nicht sich selbst, wollte schreien, etwas gegen den Spiegel schmeißen, saß aber nur still da und starrte vor sich hin. Sie würde einfach warten, bis ihr Spiegelbild wieder erschien. Eine halbe Stunde lang starrte sie, ohne zu zwinkern, in den leeren Spiegel, doch dann wurden ihre Lider unerträglich schwer und fielen zu wie Sargdeckel.
    Kurz vorm Einnicken kam sie plötzlich zu sich und schaute in den Spiegel, direkt in die Augen eines entsetzten Menschen, der sie anstarrte. Aber das war nicht sie selbst, und sie hörte einen fürchterlichen Schrei, der sie ängstigte, und schrie auch. Lange waren nur diese entsetzlichen Schreie zu hören, die ihnen gegenseitig Angst einjagten, bis jemand sie in den Arm nahm und ihr immer wieder »schon gut, schon gut« ins Ohr flüsterte. Im Spiegel sah sie ihren Vater sanft die Luft küssen und beruhigend auf niemanden einreden. Sie drehte sich zu ihm, ihr Gesicht mit Schweiß und Tränen überzogen, Panik in den Augen. Er spürte,dass er seine Tochter endgültig verlieren würde, wenn er seiner Angst

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