Die Rückkehr des Drachen
oder Nein, als ich sie danach fragte. Vielleicht hat sie sich noch nicht entschieden.«
»Aber warum?« fragte Elayne.
»Die Weiße Burg hat für alles, was sie tut, ihre eigenen Gründe.« Der Klang von Nynaeves Stimme ließ Egwene schaudern. »Ich weiß nicht, warum. Ob sie Mat wieder zum Leben erwecken oder ihn sterben lassen, hängt davon ab, was ihnen am besten dient. Keiner der Drei Eide besagt, daß sie ihn heilen müssen. Mat ist einfach ein Werkzeug in den Augen der Amyrlin. Sie benützt uns, um die Schwarzen Ajah zu suchen, aber wenn man ein Werkzeug kaputtmacht, so daß es nicht mehr repariert werden kann, weint man ihm deshalb noch lange keine Träne nach. Man holt sich einfach ein neues. Daran solltet ihr beiden auch immer denken.«
»Was sollen wir seinetwegen unternehmen?« fragte Egwene. »Was können wir tun?«
Nynaeve ging zu ihrem Kleiderschrank und kramte tief darin herum. Als sie wieder auftauchte, hielt sie einen gestreiften Stoffbeutel mit Kräutern in der Hand. »Mit meiner eigenen Medizin - und ein wenig Glück - kann ich ihn vielleicht selbst heilen.«
»Verin hat es nicht fertiggebracht«, sagte Elayne. »Moiraine und Verin gemeinsam konnten es nicht, und Moiraine hatte einen Angreal. Nynaeve, wenn du zuviel von der Einen Macht auf einmal heranziehst, kannst du dich selbst zu Asche verbrennen. Oder dich selbst einer Dämpfung unterziehen, falls du Glück hast. Wenn man das Glück nennen kann.«
Nynaeve zuckte die Achseln. »Sie sagen mir immer wieder, daß ich das Potential habe, die stärkste Aes Sedai der letzten tausend Jahre zu werden. Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, herauszufinden, ob sie recht haben.« Sie zupfte schon wieder an ihrem Zopf.
Es war klar: Wie tapfer ihre Worte auch klingen mochten - sie hatte trotzdem Angst. Aber sie wird Mat nicht sterben lassen, auch wenn sie ihr eigenes Leben dabei riskiert. »Sie sagen doch, wir drei seien alle derart mächtig - oder werden es eines Tages sein. Vielleicht können wir den Strom zwischen uns aufteilen, wenn wir zusammenarbeiten.«
»Wir haben noch nie versucht, zusammenzuarbeiten«, sagte Nynaeve bedächtig. »Ich bin nicht sicher, daß ich es fertigbringe, unsere Fähigkeiten irgendwie zusammenzuführen. Der Versuch allein könnte schon genauso gefährlich sein wie die Entnahme von zuviel Energie.«
»Ach, wenn wir es tun wollen«, sagte Elayne und kletterte vom Bett, »dann los. Je länger wir darüber reden, desto mehr Angst bekommen wir. Mat ist in einem der Gästezimmer. Ich weiß nicht, in welchem, aber soviel wenigstens hat mir Sheriam gesagt.«
Als wolle sie einen Schlußstrich unter ihre Worte ziehen, sprang die Tür auf, und eine Aes Sedai trat so selbstverständlich ein, als sei es ihr eigenes Zimmer und die anderen Eindringlinge.
Egwene knickste besonders tief, um ihr erschrockenes Gesicht zu verbergen.
KAPITEL
17
Die Rote Schwester
E laida sah recht gut aus, war aber nicht schön zu nennen. Die Strenge in ihrem Gesicht verlieh ihren alterslosen Aes-Sedai-Zügen mehr Reife. Sie wirkte nicht alt, aber Egwene konnte sich bei Elaida nicht vorstellen, daß sie einmal jung gewesen war. Außer bei ganz offiziellen Anlässen trug kaum eine Aes Sedai die rankenbestickte Stola mit der großen, weißen Träne der Flamme von Tar Valon auf dem Rücken der Trägerin. Doch Elaida trug die ihre, und die roten Fransen zeigten, zu welcher Ajah sie gehörte. Auch ihr beiges Seidenkleid wies rote Schrägstreifen auf, und unter dem Saum ihres Rocks lugten rote Schuhe hervor. Ihre dunklen Augen beobachteten sie wie die eines Raubvogels ein paar Würmer.
»Also seid ihr alle zusammen. Das überrascht mich eigentlich überhaupt nicht.« In Kleidung wie Stimme lag nichts Überhebliches; sie war eine mächtige Frau, immer bereit, ihre Macht anzuwenden, wenn sie es für nötig hielt, eine Frau, die mehr wußte als die Personen, mit denen sie sprach. Das galt sowohl für eine Königin wie für eine Novizin.
»Vergebt mir, Elaida Sedai«, sagte Nynaeve mit einem weiteren Knicks, »aber ich war gerade im Gehen begriffen. Ich muß in bezug auf meine Studien viel aufholen. Verzeiht mir also... «
»Eure Studien können warten«, sagte Elaida. »Sie mußten schließlich schon lange genug warten.« Sie nahm Nynaeve den Stoffbeutel aus der Hand und band ihn auf. Nach einem Blick ins Innere warf sie ihn zu Boden. »Kräuter. Ihr seid keine Dorfseherin mehr, Kind. Wenn Ihr an der Vergangenheit festhaltet, haltet Ihr euch nur
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