Die Rückkehr des Drachen
uralte Länder ins Meer versinken ließen, als das gesamte Antlitz der Erde verändert wurde und alle Überlebenden wie die Tiere vor dem Buschfeuer flohen. Es war erst vorbei gewesen, als der letzte männliche Aes Sedai gestorben war. Eine verstreute und verängstigte menschliche Rasse konnte dann beginnen, aus dem Schutt eine neue Welt zu bauen, sofern überhaupt Schutt übriggeblieben war. Die Ereignisse brannten sich ins Gedächtnis der Menschen ein, und die Mütter gaben es an die Kinder weiter. Und die Prophezeiung sagte, daß der Drache wiedergeboren werde.
Niall hatte es nur als rhetorische Frage ausgesprochen, doch Byar nahm sie ernst. »Ja, kommandierender Lordhauptmann, das hat er. Dieser Wahnsinn ist schlimmer als der irgendeines falschen Drachen, von dem ich jemals gehört hätte. Tausende haben sich ihm bereits angeschlossen. In Tarabon und Arad Doman herrscht Bürgerkrieg, und sie kämpfen dazu auch noch gegeneinander. Überall auf der Ebene von Almoth und der Toman-Halbinsel wird gekämpft: Taraboner gegen Domani und die gegen Schattenfreunde, die nach dem Drachen rufen - oder jedenfalls wurde gekämpft, bis die Winterkälte einbrach und die Kämpfe erstickte. Ich habe noch nie erlebt, daß sich ein Konflikt so schnell ausbreitete, kommandierender Lordhauptmann. Es war, als werfe man eine brennende Fackel in einen Heuschober. Der Schnee hat vielleicht etwas Ruhe gebracht, aber im Frühjahr wird er heißer aufflammen als zuvor.«
Niall unterbrach ihn mit erhobenem Zeigefinger. Schon zweimal hatte er ihm seine Geschichte entlockt. Seine Stimme zitterte vor Zorn und Haß. Teile kannte Niall auch aus anderen Quellen, und er wußte in mancher Hinsicht mehr als Byar, aber jedesmal, wenn er es hörte, erzürnte es ihn wieder. »Geofram Bornhald und tausend der Kinder sind tot. Und das haben Aes Sedai getan. Daran hegt Ihr keinen Zweifel, Kind Byar?«
»Keinen, kommandierender Lordhauptmann! Nach einem Scharmützel auf dem Weg nach Falme beobachtete ich zwei der Hexen aus Tar Valon. Sie haben uns mehr als fünfzig Leben gekostet, bis wir sie mit Pfeilen gespickt hatten.«
»Seid Ihr sicher - waren es wirklich Aes Sedai?«
»Der Boden ist uns unter den Füßen explodiert.« Byars Stimme klang fest und voller Überzeugung. Er hatte allerdings nicht viel Phantasie, dieser Jaret Byar. Der Tod war ein Teil des Soldatenlebens, in welcher Form er auch kommen mochte. »Unsere Reihen wurden von Blitzen aus heiterem Himmel getroffen. Lordhauptmann, wer sonst könnte das getan haben?«
Niall nickte ernst. Es hatte seit der Zerstörung der Welt keine männlichen Aes Sedai mehr gegeben, aber die Frauen, die diese Bezeichnung für sich in Anspruch nahmen, waren schlimm genug. Sie predigten etwas von ihren drei Eiden: kein unwahres Wort auszusprechen, keine Waffe herzustellen, mit der Menschen einander töten können, und die Eine Macht nur dann als Waffe einzusetzen, wenn sie Schattenfreunde oder Wesen des Schattens bekämpften. Doch nun hatten sich diese Eide ja wohl als Lügen erwiesen. Ihm war immer schon klar gewesen, daß niemand eine solch gewaltige Macht zu einem anderen Zweck beherrschen konnte, als dem, den Schöpfer damit herauszufordern. Und das bedeutete, daß sie dem Dunklen König dienten.
»Und Ihr wißt nichts über diejenigen, die Falme eroberten und die Hälfte einer meiner Legionen töteten?«
»Lordhauptmann Bornhald sagte, sie nannten sich Seanchan, kommandierender Lordhauptmann«, sagte Byar gleichgültig. »Er meinte, sie seien Schattenfreunde. Und sein Angriff zwang sie zum Rückzug, obwohl sie ihn selbst dabei töteten.« Seine Stimme wurde eindringlicher. »Es gab viele Flüchtlinge, die aus der Stadt kamen. Alle, mit denen ich sprechen konnte, waren sich darüber einig, daß die Eindringlinge zurückgewichen und geflohen waren. Das hat Lordhauptmann Bornhald erreicht.«
Niall seufzte leise. Byar hatte die ersten beiden Male beinahe genau die gleichen Worte benutzt, um von dem Heer zu berichten, das scheinbar aus dem Nichts erschienen war und Falme einnahm. Ein guter Soldat, dachte Niall, das sagte auch Geofram Bornhald immer, aber eben kein Mann, der selbständig denken kann.
»Lordhauptmann«, sagte Byar plötzlich, »Lordhauptmann Bornhald befahl mir, mich aus der Schlacht herauszuhalten. Ich sollte beobachten und Euch berichten. Und seinem Sohn, Lord Dain, von seinem Tod berichten.«
»Ja, ja«, sagte Niall ungeduldig. Einen Augenblick lang betrachtete er Byars hohlwangiges Gesicht,
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