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Die Rückkehr des Drachen

Die Rückkehr des Drachen

Titel: Die Rückkehr des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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wirklich. Nicht Tarmon Gai'don aus der Legende, wo der Dunkle König aus seinem Gefängnis freikam und sich ihm der Wiedergeborene Drache gegenüberstellte. Das ganz bestimmt nicht. Die Aes Sedai im Zeitalter der Legenden hatten vielleicht ein Loch in das Gefängnis des Dunklen Königs im Shayol Ghul gebrochen, aber Lews Therin Brudermörder und seine Hundert Gefährten hatten es wieder verschlossen und versiegelt. Der Gegenschlag hatte die männliche Hälfte der Wahren Quelle auf ewig befleckt und sie in den Wahnsinn getrieben. So hatte die Zerstörung ihren Lauf genommen. Doch einer dieser damaligen Aes Sedai war stärker als zehn der Hexen aus Tar Valon von heute. Die Siegel, die sie angefertigt hatten, würden halten.
    Pedron Niall war ein Verfechter kalter Logik und er hatte sich ausgedacht, wie Tarmon Gai'don wirklich verlaufen würde. Bestialische Trolloc-Horden würden sich aus der Großen Fäule nach Süden ergießen wie in den Trolloc-Kriegen vor zweitausend Jahren. Angeführt würden sie von den Myrddraal, den Halbmenschen, und vielleicht sogar von ein paar neuen menschlichen Schattenlords aus den Reihen der Schattenfreunde. Die Menschheit, aufgesplittert in sich ewig streitende Staaten, konnte dem nicht widerstehen. Aber er, Pedron Niall, würde die Menschheit unter dem Banner der Kinder des Lichts einen. Es würde neue Legenden geben, die berichteten, wie Pedron Niall Tarmon Gai'don geführt und gewonnen hatte.
    »Zuerst«, murmelte er, »lasse ich den tollwütigen Löwen los.«
    »Einen tollwütigen Löwen?«
    Niall fuhr auf dem Absatz herum, als ein knochiger, kleiner Mann mit einer riesigen Hakennase hinter einem der aufgehängten Banner hervorschlüpfte. Er sah nur einen Augenblick lang den Teil der Täfelung, der sich wieder schloß. Das Banner hing wieder schlaff an der Wand.
    »Ich habe dir diesen Geheimgang gezeigt, Ordeith«, fauchte Niall, »damit du zu mir kommen kannst, wenn ich dich rufe, ohne daß die halbe Festung Bescheid weiß, und nicht, damit du meine privaten Gespräche belauschst!«
    Ordeith verbeugte sich verbindlich und kam durch den Raum zu ihm herüber. »Lauschen, Großer Lord? Das würde ich niemals tun. Ich bin nur gerade angekommen und konnte nicht verhindern, Eure letzten Worte zu hören. Es war nicht mehr als das.« Sein Lächeln erschien leicht spöttisch, aber dieses Lächeln lag immer auf seinem Gesicht. Niall hatte es nie anders gesehen, selbst wenn der Bursche überhaupt keinen Grund hatte, anzunehmen, daß ihn jemand beobachtete.
    Einen Monat zuvor, mitten im Winter, war der schlaksige kleine Bursche in Amadicia aufgetaucht, zerlumpt und halb erfroren, und irgendwie brachte er es fertig, sich den Weg bis zu Pedron Niall selbst an sämtlichen Wachen und Sekretären vorbeizureden. Er schien über die Ereignisse auf der Toman-Halbinsel besser Bescheid zu wissen als Carridin in seinen umfangreichen, wenn auch unklaren Berichten, besser auch als Byar und mehr als in irgendeinem Bericht stand oder einem Gerücht zu hören war, das Niall zu Ohren gekommen war. Sein Name war natürlich falsch. In der Alten Sprache hieß Ordeith ›wurmstichiges Holz‹. Als Niall ihn daraufhin ansprach, sagte er nur: »Wer wir waren, das weiß kein Mensch mehr, und das Leben ist bitter.« Aber schlau war er. Er war es gewesen, der Niall darauf brachte, wie die kommenden Ereignisse vermutlich verlaufen würden.
    Ordeith ging zum Tisch und nahm eine der Zeichnungen in die Hand. Als er sie genügend weit aufrollte, um das Gesicht des jungen Mannes sehen zu können, verstärkte sich sein Lächeln zu einer Grimasse.
    Niall ärgerte sich darüber, daß der Mann ungebeten gekommen war. »Du findest wohl einen falschen Drachen lustig, Ordeith? Oder ängstigt es dich?«
    »Ein falscher Drache?« fragte Ordeith leise. »Ja. Ja, das muß er natürlich sein. Was sonst könnte er sein?« Er lachte schrill auf. Niall ging das Lachen auf die Nerven. Manchmal glaubte Niall, daß Ordeith zumindest halb verrückt sein mußte.
    Aber er ist schlau, verrückt oder nicht. »Was meinst du, Ordeith? Du scheinst ihn zu kennen.«
    Ordeith fuhr zusammen, als habe er die Anwesenheit des kommandierenden Lordhauptmannes vergessen. »Ihn kennen? O ja, ich kenne ihn. Er heißt Rand al'Thor. Er kommt von den Zwei Flüssen im Hinterland von Andor, und er ist ein so schlimmer Schattenfreund, daß Eure Seele sich krümmte, wüßte sie nur die Hälfte seiner Schandtaten.«
    »Die Zwei Flüsse«, sagte Niall nachdenklich.

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