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Die Rückkehr des Drachen

Die Rückkehr des Drachen

Titel: Die Rückkehr des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jordan
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›Feuchtländer‹?«
    Gaul deutete in Richtung des Flusses. Selbst bei seinen guten Augen konnte Perrin nicht sicher sein, aber er hatte das Gefühl, der Aiel sei dabei ziemlich nervös. »Vor drei Tagen habe ich ein Mädchen beobachtet, das in einem riesigen Wasserloch schwamm. Es muß mindestens zwanzig Schritt Durchmesser gehabt haben. Sie... ist freiwillig da hineingegangen.« Er ahmte ungeschickt Schwimmbewegungen nach. »Ein tapferes Mädchen. Diese... Flüsse zu überqueren hat mich beinahe entmannt. Ich habe nicht gewußt, daß es irgendwo zuviel Wasser geben würde, und nicht geahnt, daß es überhaupt soviel Wasser auf der Welt gibt wie bei Euch Feuchtländern.«
    Perrin schüttelte den Kopf. Er wußte ja schon, daß es in der Aiel-Wüste kaum Wasser gab, denn das war eines der wenigen Dinge in bezug auf dieses Land, dessen er sicher war, doch er hatte nicht geahnt, daß es so selten war, um eine solche Reaktion hervorzurufen. »Du bist weit weg von zu Hause, Gaul. Warum bist du hier?«
    »Wir suchen«, sagte Gaul bedächtig. »Wir suchen nach Ihm, Der Mit Der Morgendämmerung Kommt.«
    Perrin hatte diese Bezeichnung schon früher gehört und war sich klar darüber, wer damit gemeint war. Licht, alles kommt immer wieder auf Rand zurück. Ich bin an ihn gebunden wie ein wildes Pferd, das man beschlagen will. »Du suchst in der falschen Richtung, Gaul. Ich suche ebenfalls nach ihm, und er ist auf dem Weg nach Tear.«
    »Tear?« Der Aiel war sichtlich überrascht. »Wieso... ? Dann muß es wohl so sein. Die Prophezeiung sagt, wenn der Stein von Tear fällt, werden wir das Dreifache Land endlich verlassen.« So nannten die Aiel ihre Wüste. »Es steht geschrieben, daß wir verändert werden und wiederfinden, was einst unser war und verloren ging.«
    »Das mag sein. Ich kenne eure Prophezeiungen nicht, Gaul. Bist du soweit, daß du gehen kannst? Jede Minute könnte jemand vorbeikommen.«
    »Dazu ist es jetzt zu spät«, sagte Gaul, und eine tiefe Stimme schrie: »Der Wilde ist los!« Zehn oder zwölf Männer in weißen Umhängen rannten über den Platz heran und zogen die Schwerter. Ihre kegelförmigen Helme schimmerten im Mondschein. Kinder des Lichts.
    Als hätte er alle Zeit der Welt zur Verfügung, nahm Gaul seelenruhig ein schwarzes Tuch von der Schulter und band es sich um den Kopf, so daß sein Gesicht bis auf die Augen darunter verborgen war. »Tanzt du gern, Perrin Aybara?« fragte er. Mit diesen Worten sprang er vom Käfig weg direkt auf die anstürmenden Weißmäntel los.
    Einen Moment lang waren die völlig überrascht, und dieser Moment war alles, was der Aiel brauchte. Er trat dem ersten, der ihn erreichte, das Schwert aus der Hand, und dann traf seine versteifte Hand wie ein Dolch die Kehle des Weißmantels. Der stürzte, und der Aiel wand sich um ihn herum. Der Arm des nächsten Mannes krachte hörbar, als Gaul ihn brach. Er stieß den Mann vor die Füße eines dritten und trat dem vierten im Sprung ins Gesicht. Es war wirklich einem Tanz ähnlich - von einem zum anderen, ohne stehenzubleiben oder die Bewegungen auch nur zu verlangsamen. Obwohl der Gestürzte wieder auf die Beine kam und der mit dem gebrochenen Arm sein Schwert in die andere Hand nahm, tanzte Gaul weiter mitten unter ihnen.
    Perrin hatte nur einen Augenblick lang Zeit, mit seiner Überraschung fertigzuwerden, denn nicht alle Weißmäntel hatten sich auf den Aiel gestürzt. Gerade rechtzeitig konnte er mit beiden Händen den Schaft seiner Axt packen und damit einen Schwertstich abblocken. Dann schwang er die Axt und hätte am liebsten geschrien, als ihre halbmondförmige Schneide die Kehle des Mannes zerfetzte. Aber er hatte weder zum Schreien noch zum Bedauern Zeit. Weitere Weißmäntel stürzten sich auf ihn, noch bevor der erste am Boden lag. Er haßte die klaffenden Wunden, die seine Axt schlug, haßte es, wie sie durch Schuppenpanzer hindurch das Fleisch darunter aufschlitzte, wie sie genauso leicht Helm und Schädel auf einmal spaltete. Er haßte das alles. Aber er wollte nicht sterben.
    Die Zeit schien stillzustehen, und gleichzeitig lief doch alles auch schneller ab. Sein Körper fühlte sich wie nach einem stundenlangen Kampf, und er atmete stoßweise durch eine rauh gewordene Kehle. Die Männer schienen sich zu bewegen, als schwömmen sie durch dicke Gelatine. Es dauerte aber nur einen Moment vom ersten Hieb bis zum Sturz. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht, und doch war ihm kühl wie in einem erfrischenden Bad.

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