Die Rückkehr des Drachen
ein eiskaltes Versprechen. »Ihr habt mir einmal gesagt, Ihr könntet einen Schattenfreund riechen, oder zumindest einen, der bereits ganz dem Schatten angehört. Lan kann das auch. Habt Ihr so etwas hier gewittert?«
Sie schniefte laut und wandte sich dem hohen Standspiegel zu. Seine Halterungen waren mit fein gewirktem Silber eingelegt. Mit einer Hand hielt sie ihre Robe zusammen, mit der anderen bürstete sie ihr Haar. »Nur wenige Menschen sind in solchem Maße verloren, Perrin, selbst unter den schlimmsten Schattenfreunden.« Sie hielt im Bürsten inne. »Warum fragt Ihr?«
»Da war so ein Mädchen unten im Schankraum, das mich angestarrt hat. Nicht Euch oder Loial, wie die anderen. Nein, mich.«
Die Bürste fuhr wieder durch ihr Haar, und Moiraine lächelte ganz kurz. »Manchmal vergeßt Ihr, Perrin, daß Ihr ein gutaussehender junger Mann seid. Manche Mädchen bewundern solche Schultern wie Eure.« Er grunzte und trat von einem Fuß auf den anderen. »Gab es noch etwas, Perrin?«
»Ach... nein.« Sie konnte ihm in bezug auf das, was Min vorhergesehen hatte, nicht weiterhelfen. Sie hätte ihm doch nur das sagen können, von dem er bereits wußte, daß es wichtig sei. Und er wollte ihr auch gar nicht anvertrauen, was Min gesagt hatte. Oder, was das betraf, daß Min überhaupt etwas gesehen hatte.
Draußen auf dem Flur lehnte er sich einen Moment lang an die Wand, nachdem sich die Tür geschlossen hatte. Licht, einfach so bei ihr hineinspazieren, und sie... Sie war eine gutaussehende Frau. Und wahrscheinlich alt genug, um meine Mutter zu sein oder noch mehr. Er glaubte, Mat an seiner Stelle hätte sie jetzt hinunter in den Schankraum gebeten, um mit ihr zu tanzen. Nein, wohl doch nicht. Selbst Mat ist nicht so dumm, mit einer Aes Sedai flirten zu wollen. Moiraine tanzte durchaus. Er hatte sogar selbst schon einmal mit ihr getanzt. Und dabei wäre er beinahe über die eigenen Füße gestolpert vor Aufregung. Denk nicht immer so an sie, als sei sie ein Mädchen vom Dorf, nur weil du sie so gesehen... Sie ist eine verdammte Aes Sedai! Du solltest dir besser über diesen Aiel Gedanken machen. Er schüttelte sich und ging hinunter.
Der Schankraum war vollgestopft mit Menschen. Jeder Stuhl war besetzt, und man hatte weitere Stühle und Bänke hereingetragen. Trotzdem hatten einige keinen Platz gefunden und standen an der Wand. Er sah das schwarzhaarige Mädchen nicht, und sonst warf ihm keiner einen zweiten Blick zu, als er sich durch den Raum zwängte.
Orban saß allein an einem Tisch, hatte sein bandagiertes Bein auf ein Kissen auf einem Stuhl hochgelegt - an diesem Fuß trug er einen Hausschuh - und hielt einen silbernen Pokal in der Hand, den eine Dienerin immer wieder mit Wein füllte. »Ja«, sagte er zu allen im Raum, »wir wußten, daß die Aiel wilde Kämpfernaturen sind, Gann und ich, aber wir hatten überhaupt keine Zeit, um es uns zu überlegen. Ich zog mein Schwert und gab Löwe meine Fersen zu spüren... «
Perrin fuhr auf, aber dann wurde ihm klar, daß der Mann sein Pferd mit diesem Namen meinte. Sähe ihm ähnlich, wenn er behauptete, auf einem Löwen geritten zu sein. Er schämte sich ein wenig. Nur weil er den Mann nicht leiden konnte, mußte er doch nicht gleich annehmen, daß der seine Angebereien so weit trieb. Er eilte hinaus, ohne sich noch einmal umzublicken.
Die Straße vor der Schenke war genauso voll wie der Schankraum. Menschen, die drinnen keinen Platz gefunden hatten, drängten sich vor den Fenstern, um einen Blick hineinzuwerfen, und doppelt so viele standen direkt vor der Tür, um wenigstens Orbans Erzählung lauschen zu können. Keiner warf Perrin einen zweiten Blick zu, obwohl er einige dazu brachte, sich zu beklagen, als er sich durch die Menge hindurchzwängte.
Jeder, der an diesem Abend auf den Beinen war, mußte sich bei der Schenke befinden, denn er sah nicht einen einzigen, als er zum Marktplatz ging. Manchmal huschte der Schatten eines Menschen über ein beleuchtetes Fenster, aber das war alles. Trotzdem hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Er blickte sich ständig nervös um: nichts als in die Nacht gehüllte Straßen und erleuchtete Fenster. Um den Marktplatz herum waren die meisten Fenster bis auf ein paar in den oberen Stockwerken unbeleuchtet.
Der Galgen stand genauso da, wie er ihn in Erinnerung hatte, und der Mann - der Aiel - hing etwas oberhalb seiner Reichweite. Der Aiel schien wach zu sein. Zumindest hatte er den Kopf gehoben. Aber er blickte nicht
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