Die Rückkehr des Drachen
mehr an. »Es schmeckt halt nur ein wenig bitter. Sagt mir, Mutter Guenna, wird es noch lange andauern, daß wir diesen Regen und Matsch ertragen müssen?«
Die alte Frau runzelte die Stirn und verteilte dann wenig erfreute Blicke an alle drei Frauen. Schließlich sah sie wieder Nynaeve an. »Ich bin kein Windsucher des Meervolks, Mädchen«, sagte sie ruhig. »Wenn ich das Wetter vorhersagen könnte, würde ich mir lieber lebendige Hechte ins Kleid stecken, als es zugeben. Die Verteidiger betrachten diese Art von Dingen als beinahe so schlimm wie das, was die Aes Sedai tun. Also, seid Ihr im gleichen Gewerbe tätig oder nicht? Ihr seht aus, als wärt Ihr weit gereist. Was ist gut gegen Erschöpfung?« fuhr sie plötzlich Nynaeve an.
»Plattwurztee«, antwortete Nynaeve gelassen, »oder Andilay-Wurzel. Da Ihr schon fragt, was würdet Ihr denn tun, um eine Geburt zu erleichtern?«
Mutter Guenna schnaubte: »Gewärmte Handtücher auflegen, Kind, und vielleicht ein wenig Weißfenchel geben, falls die Geburt außergewöhnlich schwer ist. Mehr braucht eine Frau nicht, außer einer lindernden Hand. Könnt Ihr euch nicht eine Frage ausdenken, die nicht jede Bauersfrau beantworten kann? Was gebt Ihr bei Herzschmerzen? Bei den wirklich tödlichen?«
»Zerstoßene Gheandin-Blüte auf die Zunge«, sagte Nynaeve knapp. »Wenn eine Frau stechende Magenschmerzen hat und Blut im Speichel, was tut Ihr dann?«
So überprüfte nun jede die andere. Schneller und schneller jagten sich Fragen und Antworten. Manchmal wurde das Frage-und-Antwort-Spiel kurz unterbrochen, wenn eine von einer Pflanze sprach, die die andere nur unter einem anderen Namen kannte, aber dann wurden sie wieder schneller, erörterten die Vorteile von Tinkturen gegenüber Aufgüssen, Salben gegenüber Packungen, und wann das eine oder das andere besser sei. Langsam häuften sich die Fragen zu Kräutern und Wurzeln, die einer bekannt und der anderen unbekannt waren. Beide waren äußerst lernbegierig. Egwene wurde beim Zuhören ganz kribbelig.
»Nachdem man einen Knochen gerichtet hat«, sagte Mutter Guenna, »wickelt man das gebrochene Glied in nasse Handtücher. In dem Wasser, das man in die Handtücher ziehen läßt, hat man vorher blaue Ziegenblumen ausgekocht - nur die blauen aber, das ist wichtig!« Nynaeve nickte ungeduldig. »Und der Wickel muß so heiß sein, daß es gerade noch auszuhalten ist. Ein Teil blaue Ziegenblumen auf zehn Teile Wasser. Schwächer darf es nicht sein. Sobald die Handtücher nicht mehr dampfen, muß man den Wickel erneuern, und das den ganzen Tag lang. Der Knochen wird doppelt so schnell heilen und wird auch doppelt so fest danach.«
»Das werde ich mir merken«, sagte Nynaeve. »Ihr habt erwähnt, daß Ihr Schafszungenwurz gegen Augenschmerzen verwendet. Ich habe noch nie gehört... «
Egwene hielt es nicht länger aus. »Maryim«, unterbrach sie die beiden, »glaubst du wirklich, daß du all dieses Wissen noch jemals benötigen wirst? Du bist keine Seherin mehr, oder hast du das vergessen?«
»Ich habe überhaupt nichts vergessen«, sagte Nynaeve in scharfem Ton. »Ich erinnere mich an Zeiten, wo du genauso darauf aus warst, alles Neue zu lernen, wie ich.«
»Mutter Guenna«, fragte Elayne übertrieben freundlich, »was gebt Ihr zwei Frauen, die mit dem Streiten nicht aufhören können?«
Die grauhaarige Frau spitzte die Lippen und blickte nachdenklich die Tischplatte an. »Normalerweise, ob es sich nun um Männer oder Frauen dreht, rate ich ihnen, sich voneinander fernzuhalten. Das ist am besten und am einfachsten.«
»Normalerweise?« hakte Elayne nach. »Und wenn sie einen Grund haben, warum sie sich nicht voneinander fernhalten können? Wenn sie beispielsweise Schwestern sind?«
»Ich habe schon ein Mittel, um jemanden zu bremsen, der streitsüchtig ist«, sagte die große Frau bedächtig. »Es ist nichts, was ich jemandem weiterempfehlen würde, aber manche kommen halt damit zu mir.« Egwene glaubte, die Andeutung eines Lächelns um ihre Lippen spielen zu sehen. »Ich verlange von beiden Frauen je eine Silbermark. Bei Männern zwei, denn Männer machen mehr Aufhebens. Außerdem kaufen manche Leute einfach alles, wenn der Preis hoch genug ist.«
»Aber was ist nun das Heilmittel?« fragte Elayne.
»Ich sage ihnen, daß sie ihre Kontrahentin hierher mitbringen müssen. Beide erwarten, daß ich die andere zur Ruhe bringe.« - Unwillkürlich lauschte Egwene doch. Sie bemerkte, daß auch Nynaeve ganz genau aufpaßte.
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