Die Rückkehr des Poeten
herausstellt, dass der eigene Chef – der eigene Betreuer – eben das Böse ist, das man sein Leben lang bekämpft hat. Und wenn man dafür auch noch bestraft wird.«
»Das kann ich gut verstehen, Rachel. Aber es war nicht nur Backus. Es war alles Mögliche. Der Journalist, einige der Entscheidungen, die Sie getroffen haben. Einige sagen, Sie können von Glück reden, dass Sie überhaupt noch einen Job bekommen haben.«
Rachels Gesicht wurde rot. Sie wurde daran erinnert, dass sie einer der wunden Punkte des FBI war. Sogar für die unteren Dienstgrade. Sogar für die Agentin, die sie einmal betreut hatte. Sie hatte mit einem Journalisten geschlafen, der in ihrem Fall recherchiert hatte. Das war die Kurzfassung. Dabei spielte es keine Rolle, dass es ein Journalist war, der in Wirklichkeit ganz wesentlich an den Ermittlungen beteiligt gewesen war, der Seite an Seite und Stunde um Stunde mit Rachel zusammengearbeitet hatte. Diese Kurzfassung würde immer die Fassung bleiben, die Agenten zu hören bekamen und tuschelnd weitergaben. Ein Journalist. Konnte man, was Agentenverhalten und Etikette anging, noch tiefer sinken? Vielleicht noch ein Gangster oder ein Spion, aber sonst nichts mehr.
»Fünf Jahre in North Dakota, gefolgt von einer Versetzung nach South Dakota«, sagte sie frustriert. »Ja, ich kann wirklich von Glück reden.«
»Hören Sie, ich weiß, Sie haben einen hohen Preis dafür bezahlt. Ich will nur darauf hinaus, dass Sie sich klar darüber werden, wo hier Ihr Platz ist. Ein gewisses Maß an Finesse könnte da nicht schaden. Für diesen Fall interessieren sich jede Menge Leute. Wenn Sie es geschickt anstellen, schaffen Sie vielleicht den Einstieg wieder.«
»Ich habe verstanden.«
»Gut.«
Rachel fasste an die Seite ihres Sitzes und verstellte ihn so, dass sie sich zurücklehnen konnte.
»Wie lang, haben Sie gesagt?«, fragte sie.
»Ungefähr zwei Stunden. Meistens nehmen wir von Nellis aus einen Hubschrauber. Spart eine Menge Zeit.«
»Hat das niemanden neugierig gemacht?«
Sie erkundigte sich nach den Medien, ob von den Ermittlungen in der Wüste schon etwas an die Öffentlichkeit durchgedrungen war.
»Wir mussten ein paar Feuer löschen, aber bislang haben wir noch alles unter Kontrolle. Der Tatort ist in Kalifornien, und wir operieren von Nevada aus. Irgendwie hat das, glaube ich, dazu beigetragen, dass noch nichts durchgesickert ist. Ehrlich gesagt, machen sich jetzt, was das angeht, ein paar Leute Ihretwegen Sorgen.«
Rachel dachte kurz an Jack McEvoy, den Journalisten.
»Dazu besteht keinerlei Anlass«, sagte sie. »Ich weiß nicht einmal, wo er ist.«
»Jedenfalls, wenn die Sache irgendwann doch bekannt wird, können Sie Gift drauf nehmen, dass er auftaucht. Er hat über die erste Folge einen Bestseller geschrieben. Ich bin sicher, er wird auch für die Fortsetzung wieder anrücken.«
Rachel dachte an das Buch, das sie im Flugzeug gelesen hatte und das jetzt in ihrer Tasche war. Sie war nicht sicher, ob es am Thema oder am Autor lag, dass sie es so oft gelesen hatte.
»Wahrscheinlich.«
Sie beließ es dabei und zog die Jacke um ihre Schultern und verschränkte die Arme. Sie war müde, denn sie hatte seit Deis Anruf nicht mehr geschlafen.
Sie ließ den Kopf gegen das Seitenfenster sinken und war bald eingeschlafen. Ihr Traum von der Finsternis kehrte zurück. Doch diesmal war sie nicht allein. Sie konnte zwar niemanden sehen, weil sie nur Dunkelheit sah. Aber sie spürte eine andere Präsenz. Jemand, der in ihrer Nähe war, aber nicht unbedingt mit ihr. Sie bewegte sich und drehte sich in der Dunkelheit, um zu sehen, wer es war. Sie streckte die Hände aus, aber sie berührten nichts.
Sie hörte ein Stöhnen und merkte, es war ihre eigene Stimme, die von tief unten aus ihrer Kehle kam. Dann wurde sie gepackt. Etwas hielt sie und schüttelte sie sehr fest.
Rachel öffnete die Augen. Sie sah den Freeway durch die Windschutzscheibe auf sich zurasen. Cherie Dei ließ ihre Jacke los.
»Alles klar? Das ist die Ausfahrt.«
Rachel blickte zu einem vorbeifliegenden grünen Freeway-Schild auf.
ZZYZX ROAD
1 MILE
Sie richtete sich auf in ihrem Sitz. Sie sah auf die Uhr und merkte, dass sie mehr als neunzig Minuten geschlafen hatte. Ihr Nacken war steif und schmerzte auf der rechten Seite, weil sie sich so lange an das Fenster gelehnt hatte. Sie begann ihn mit den Fingern zu bearbeiten und grub sie tief in die Muskeln.
»Alles klar?«, fragte Dei noch einmal. »Hat sich so
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