Die Rückkehr des Tanzlehrers
sie ihn je finden würden. Und sollten sie ihn aufspüren, würden die schwedischen Behörden kaum mit seiner Auslieferung rechnen können. Giuseppe versprach, Stefan über die weitere Entwicklung auf dem laufenden zu halten. Dann hatte er sich nach Stefans Gesundheitszustand erkundigt und war erfreut über das Ergebnis der jüngsten Kontrolluntersuchung.
»Was habe ich dir gesagt?« lachte Giuseppe. »Du warst drauf und dran, vor Düsterkeit umzukommen. Ich habe noch nie in meinem Leben einen so niedergeschlagenen Menschen gesehen wie dich.«
»Du hast vielleicht auch noch nicht so viele getroffen, denen ein Todesurteil um den Hals hing. Im Hals, um genau zu sein. Anderseits hast du einen Schuß in die Schulter abgekriegt.«
Giuseppe wurde ernst. »Ich frage mich manchmal, ob sie geschossen hat, um mich zu töten. Ich sehe noch ihren Blick vor mir. Ich möchte eher glauben, daß sie mich nur verletzen wollte. Aber ich muß wohl einsehen, daß es anders war.«
»Und wie geht es dir jetzt?«
»Die Schulter ist immer noch ein wenig steif. Aber es wird besser.«
»Und Erik Johansson?«
»Ich habe gehört, daß er vorzeitig in Pension gehen will. Diese Geschichte hat ihn schwer mitgenommen. Ich habe ihn vor ein paar Tagen getroffen. Er ist abgemagert.«
Giuseppe seufzte. »Es hätte trotz allem viel schlimmer kommen können.«
»Ich werde Elena einmal mitnehmen zum Bowling. Und ich werde alle Kegel abräumen und dabei an dich denken.«
»Als Herbert Molin ermordet wurde, wußten wir nicht, was uns erwartete«, sagte Giuseppe. »Jetzt wissen wir, daß wir etwas sehr Großes aufgedeckt haben. Nicht nur ein Netzwerk von Nazi-Organisationen, sondern, schlimmer noch, die Tatsache, daß der Faschismus weiterlebt, wenn auch in anderen Formen.«
Zum Abschluß des Gesprächs wechselten sie noch ein paar Worte über Magnus Holmström. Der Prozeß gegen ihn sollte in der nächsten Woche beginnen. Holmström hatte sich entschieden zu schweigen. Aber die Beweise gegen ihn reichten aus, um ihn zu einer langen Haftstrafe zu verurteilen.
Es war vorbei. Doch es gab noch immer ein loses Ende, das Stefan untersuchen wollte. Davon hatte er Giuseppe nichts gesagt. Dieses lose Ende befand sich hier in Inverness. Auch wenn Veronica Molins Versuch mißlungen war, eine Erklärung für den Mord an ihrem Vater zusammenzulügen, ihr einziges, allerdings schwaches Manöver in jenen dramatischen Herbsttagen, so verbarg sich doch ein Mensch hinter dem Buchstaben >M< in Herbert Molins Tagebuch. Eine Kriminalassistentin namens Evelyn, die schon lange bei der Polizei in Boras war, hatte Stefan geholfen. Zusammen hatten sie Protokolle und Namenlisten von einem Besuch britischer Polizisten in Boras im November 1971 ausgegraben. Sie hatten an einer der
Wände des Archivraums sogar ein Foto von jenem Besuch gefunden. Das Bild war vor dem Polizeipräsidium aufgenommen worden. Olausson war mit auf dem Bild, und neben ihm standen vier britische Polizeibeamte, zwei von ihnen Frauen, und eine von beiden, die ältere, hieß Margaret Simmons. Stefan fragte sich zuweilen, wieviel Veronica Molin eigentlich über den Besuch ihres Vaters in Schottland gewußt hatte. Sie hatte einen anderen Namen als Margaret benutzt, als sie versuchte, sie in die Irre zu führen. Sie hatte gesagt, die Frau hieße Mo-nica.
Herbert Molin war nicht mit auf dem Bild. Aber irgendwo im Hintergrund war er gewesen. Damals, im November 1971, war er der Frau namens Margaret begegnet, und im Jahr danach hatte er sie in Schottland besucht und im Tagebuch darüber geschrieben. Sie hatten im nördlich von Inverness an der Küste gelegenen Dornoch lange Spaziergänge gemacht. Vielleicht würde Stefan hinfahren, um sich die Stadt anzusehen. Aber Margaret Simmons war nach ihrer Pensionierung 1980 fortgezogen. Evelyn hatte ihm geholfen, dies alles in Erfahrung zu bringen, ohne zu fragen, warum. Eines Tages Anfang Februar, ungefähr zur gleichen Zeit, als er anfing zu glauben, daß er die Krankheit überleben würde und seiner Arbeit wieder nachgehen könnte, hatte sie ihn angerufen und ihm triumphierend eine Adresse und eine Telefonnummer in In-verness gegeben.
Jetzt war er hier. Und bisher hatte er noch keinen Plan gemacht. Sollte er sie anrufen oder zu der Adresse gehen und einfach anklopfen? Margaret Simmons war achtzig Jahre alt. Sie konnte krank oder schwach sein und keine Lust haben, ihn zu empfangen.
Er betrat die Rezeption und wurde von einem freundlichen Mann empfangen, der ihn
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