Die Rückkehr (German Edition)
Abschlussball beim Ausziehen zusieht. Worte ohne Gedanken, eine weitere Lüge, weil er sich nicht sicher war, wie sie aussah.
Ihr Gesicht nahm deutlichere Gestalt an, der Mund formte Worte, und obwohl er kein Lippenleser war, sah es so aus, als ob sie versuchte, »Kendra« zu sagen. Und etwas anderes.
Wayne spähte in den sich wandelnden Morast ihrer Augen. Sie wurden von einem rasenden Licht erfüllt, und Wayne fühlte, wie seine Muskeln erschlafften, so als ob sie ihm Energie entzog, um ihre Botschaft übermitteln zu können. Und sie sah verängstigt aus.
»Kendra«, formulierten ihre Lippen noch einmal, und ihre Stimme hallte in seinem Kopf wieder, schwach genug, damit er ihre Existenz leugnen konnte, wenn er wollte, es abtun konnte, wie er es tun würde, wenn jemand anderes dieses Phänomen beschreiben würde.
»Ja?«, flüsterte er und überlegte sich dabei, ob sie seine Stimme auch in ihrem Kopf hören konnte, wenn dieser flüchtige, zeitweilige Schädel überhaupt Gedanken fassen konnte.
» Bring sie weg. «
Er hatte das Versprechen gegeben, sie hier zu treffen, sie hatte ihren Teil der Verabredung eingehalten und hatte dafür weiß-Gott-wie-viele Hürden überspringen müssen, und nun wollte sie, dass er wegging ?
Ausgerechnet jetzt, wo sie ihm Hinweise zur Lösung aller Geheimnisse, die er jemals aufklären wollte, geben konnte, wo sie einige der Antworten hatte, wo sie ihn als den Geisterjäger, der die Existenz eines Lebens nach dem Tod bewies, berühmt machen konnte, wo Digger der weltweit führende Experte auf irgendeinem Gebiet werden konnte und es ihm endlich gelingen könnte, Kendras Respekt zu erringen und sie stolz zu machen? Ausgerechnet jetzt, wo sich die Jahre, die er im Dunkeln mit technischen Geräten herumgespielt hatte, endlich auszahlen würden? Wie konnte sie so verdammt egoistisch sein?
Und ihr Gesicht veränderte sich, als ob sie in der Lage war, seine Gedanken zu lesen. Die Backen wurden vor Enttäuschung faltig, ihr Gesicht verzerrte sich, und Wayne wusste nicht, wo seine Gedanken hergekommen waren, weil das nicht die Art von Dingen war, mit denen er sich beschäftigte. Alles was er wollte, war sie zu sehen, sie zu lieben, sie noch einmal in den Armen zu halten–
Ihre Worte, die Worte der Welt, vielleicht sogar diejenigen Gottes, rasten durch sein Fleisch in einer Vielzahl von Stimmen.
» DAS BIN NICHT ICH. «
Geräusche von außerhalb des Raumes, ein Pochen, ein Klopfen, rissen Wayne aus seiner Trance und er streckte eine zitternde Hand nach seiner geliebten Frau aus, aber sie veränderte sich, ihr Gesicht verschrumpelte und wurde fleckig, die Schatten fraßen das vergängliche Fleisch auf und nur ihre Zähne blieben zurück, glänzende Perlen, die viel zu scharf schienen. Sie waren zu einem bedrohlichen, hämischen Grinsen gewölbt.
Die Tür öffnete sich.
»Dad?«
Wayne starrte wie gelähmt in die Ecke, in der Augenblicke zuvor seine Frau – und Kendras Mutter – geschwebt hatte.
»Dad, es tut mir leid wegen...«
Er konnte das Bild von Beths Gesicht in diesem letzten flüchtigen Augenblick, bevor die Nacht es zurückholte, nicht abschütteln. Es sei nicht sie, hatte sie gesagt. Oder hatte er das nur gedacht?
War irgendwas davon wirklich passiert?
Das Einzige, worüber er sich sicher war, war, dass sein Kelch wieder leer war.
»Jesus, Dad, du weinst ja.«
Er hatte sie wieder verloren.
Verloren.
Kapitel 21
Ann Vandooren war auf die altherkömmliche Weise zur Wissenschaft gekommen: sie hatte mit Stöcken an toten Tieren herumgestochert und Würmer auf Ameisenhaufen geworfen. Als Tochter eines Künstlers, dessen Bisexualität sich zu einer kompletten, chirurgisch unterstützten Transsexualität entwickelte, und einer Maklerin, die auf sanierte Geschäftsimmobilien spezialisiert war, hatte sich bei Ann eine Weltsicht herausgebildet, die sowohl Befreiung als auch Starrheit umfasste.
Ihre katholische Mutter hatte mehr als genug strukturierten Mystizismus und von der Kirche akzeptierte Dogmen verbreitet, Regeln, die freies Denken ermutigten, solange man innerhalb der weißen Linien blieb. Ihr Vater, ein inbrünstiger Taoist, dessen Lieblingsargument war, dass echter Taoismus nicht existieren konnte, legte sich pausenlos mit jedem an, der behauptete, dass es nur einen Weg zu Gott, der Erleuchtung oder gar die örtliche Apotheke gab. Aber vielleicht hatte ihre Mutter trotz allem Recht gehabt, denn als ihr Dad den Wandel vollzog, ließ er seinen Namen
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