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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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sich in die Haare einer Dame verkrallte, nur weil sie ein Seidenbändchen mit einem Mäuseschwanz verwechselte. Oder vielleicht tat sie es auch absichtlich und aus teuflischer Bosheit, wer weiß das schon zu sagen bei so einem Tier.
    »Aber nicht doch! Das war doch nur Flecki!«, tadelte ihn Madame, aber da war er schon mit der Dachshaarbürste dabei, ihr den Nacken frei zu wischen, ein Ritual, auf dem sie bestand, seit sie es ihn bei ihrem Mann hatte ausführen sehen. Dass es sich dabei um das Wegwischen nicht vorhandener Rasurhaare handelte, war ihr schnurzegal, viel wichtiger war der Akt selbst, das Berührtwerden, der eine Moment der Zärtlichkeit zwischen ihnen beiden. Es war so etwas wie eine kleine Heimlichkeit, die sie eifrig hütete, wenn sonst schon nichts war, dann wenigstens dies, dass ihr Posticheur sie sanft an Hals und Nacken koste mit seinem zweifarbigen Pinsel.
    Er spielte das Spiel mit und spielte es herunter. Wenn er ganz ehrlich gegen sich gewesen wäre, hätte er diesen Ort sofort verlassen. Aber was dann? Wohin dann? Und wäre es dort, wo auch immer, nicht doch wieder nur dasselbe? Die Damen reagierten nun einmal so auf ihn, er konnte es sich nicht erklären. Die kurzen Augenblicke, in denen er sich selber in einem Spiegel betrachtete, brachten ihm kein Enträtseln. Er war ein normal großer, vielleicht etwas zu dünn geratener Mann von dreiundzwanzig Jahren, mit dunkelbraunem Haar, leicht gewellt und stets ordentlich, aber, ja,er gab es gerne zu, altmodisch in seiner Konsequenz nach hinten frisiert, sein Backenbärtchen war bescheiden gehalten und sein Kleid dem Stande entsprechend dezent. Natürlich trug er die Seidenschals, die ihm die Damen schenkten, und im Winter die fellverbrämten Handschuhe aus feingegerbtem Hirschleder, den wollenen Rock, aber vieles hatte er nicht an Kleidsamem, was ihn herausstaffiert hätte; er blieb ein einfacher Perückenmacher mit einem Händchen für das Ausgefallene.
    Nun ja, seine Hände, hier musste er fast lächeln, seine Hände waren schon etwas Besonderes. Kräftig und feingliedrig zugleich, mit sicheren Fingern … Speziell wenn sie in das Haar der einen eintauchten, ihren Hals entlangglitten, ihre Wangenknochen berührten … Er hatte lange Finger, die in perfekte Nägel ausliefen, jedes Nagelbett mit einem weißen Halbmöndchen, das die flachen, kurzgehaltenen Nägel verschönte, er hatte gleichmäßige, fast identische Fingerknöchel, die immer etwas heller waren als die Finger selbst, und er hatte blaue Adern, die sich unter der Haut erhoben und durch sie hindurchleuchteten, unterirdische Flüsse, die strömten, so dass seiner Hände Farbe je nach Lichteinfall changierte und ähnlich faszinierend anzusehen war wie Schildpatt im Sonnenlicht. Das wusste er wohl, und dieses Wissen war die einzige Eitelkeit, die er sich erlaubte.
    »Gräfin«, sagte er. Das war der Moment, den all die Damen am intensivsten herbeisehnten und doch am meisten verabscheuten, war er doch beides zugleich: größte Lust und Abschied in einem. Gräfin Csöke ließ ihn ganze vier Mal den schweren geäderten Spiegel um sie herumtragen, ihr Anblick, dessen sie im Oval des Zinnamalgamblattes ihrer Poudreuse ansichtig wurde, überzeugte sie nur halb. Zumindest gab sie das vor.
    »Da fehlt doch noch was, Franta, irgendein Detail, etwas,das mich heute ganz besonders herausputzt, findest du nicht? Zeig mal her, was hast du noch für Kostbarkeiten mitgebracht?«
    Geduldig und wie in einer einstudierten Zugabe holte er ein Schiffchen aus bemaltem Balsaholz mit Segeln aus fliederfarbenem Seidentaft hervor. Es maß nur etwa eine halbe Handlänge von Kiel zu Bug, und es war auch nicht besonders zart herausgeschnitzt – sein Talent für Holzbearbeitung lebte er lieber bei den Modellköpfen seiner Kundschaft aus –, aber es war recht eigenwillig und irgendwie hübsch mit seiner barbusigen Gallionsfigur, und es war auch irgendwie – »Rokoko, nicht wahr?«.
    »Wenn Sie so sagen, Gräfin.«
    »Gut, mach es rein.« Und so kam Gräfin Csöke zu einem weiteren Viertelstündchen, in dem die zartgliedrigen bleichen Finger des sonst eher dunklen Posticheurs in ihren Haaren zugange waren, sie hier und dort unabsichtlich streiften und unverzüglich wieder aufflogen wie hektische Vögelchen, wenn die Katze naht. Oder auch – sinnierte sie – wie die Hände eines Klavierspielers, der die Tasten nur kurz antippt und doch genau so zu größtem Überschwang treibt …, und sie, die Gräfin, war das hohle

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