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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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das wie abgemessenes Leder unter seine Fußsohlen passte, gleichviel, wohin er seine Schritte lenkte, würde er sich nicht wieder abpressen lassen, durch nichts und niemanden; zu einem Geständnis war er nicht bereit.
    Er ließ sich nichts anmerken, so dachte er zumindest, als er die Ribartierspangen etwas fester anklemmte, aber der Gummibügel streifte wohl doch spürbar unsorgfältig über die hohe Stirn der Dame, die unter seinen sonst so geübten Händen nun ein erstes und ernstzunehmendes Mal aufstöhnte. »Franta, was machst du denn? Du bringst mich ja um!« Er lächelte kläglich. »Magst du mich etwa nicht mehr leiden, František Schön?«
    Sie spielte mit ihm wie eine ihrer unzähligen Katzen mit der Maus, das mochte er nicht, seine Lippen blieben verschlossen. Er konnte es jetzt gar nicht gebrauchen, dass seine Finger zu transpirieren begannen. Rasch wandte er sich seinemInstrumentenkasten zu, hantierte mit dem Klebtaffet herum, den er als Unterlage bei der Toupetklebestelle verwenden wollte. Die alte Dame langte nun ihrerseits nach seinen gesammelten Gütern, den wunderlichen Artefakten und zauberhaften Materialien, linkisch, gespielt ungekonnt, und griff schließlich leicht schnaubend, als ob sie soeben eine ungeheure Anstrengung hinter sich gebracht hätte, nach der Holzschachtel mit dem Asiatenhaar, aus dem František Schön so herrliche Modepostiches aller Art anzufertigen wusste. Er war ein Künstler, nur benahm er sich nicht so, sie fand sogar, er war viel zu scheu, und ein bisschen Frivolität hätte ihm gut angestanden, immerhin war er einer der wenigen, der sich in ihre Gemächer allein vorwagen durfte. Zumal zu einem Zeitpunkt, zu dem sie noch nicht hergerichtet war.
    »Für wen hast du diesen hübschen Zopf gekordelt?«
    »Für Sie, Gräfin. Ausschließlich für Sie.«
    Mehr war aus ihm nicht herauszubekommen. Dieses »Ausschließlich für Sie« war das Tüpfelchen auf dem i, der Höhepunkt aller Gefühle; das bisschen Schall und Rauch einer jeden Zaubernummer, das noch in der Luft hängen bleibt, wenn der Artist die Bühne längst verlassen hat, wie der Beweis für ein eingelöstes Versprechen – die alte Hausherrin seufzte und gab endlich Ruhe.
    Er wäre ein schöner Schafskopf gewesen, hätte er ihr gegenüber etwas zugegeben. Nun wieder in der gewohnten Sicherheit, die die Stille für ihn bedeutete, befestigte der Perückenmacher die fertige Montur auf den kahlen und auf den spärlich behaarten Stellen. Für ihn hatte es nichts mit Schönheit oder Hässlichkeit zu tun, dass seine Dienstherrin, Gräfin Csöke, eine Halbglatze hatte, darin unterschied sich ihr Kopf nur wenig von dem Holzkopf, den er nach ihren Maßen angefertigt hatte. Sämtliche Haarteile und aufgenähten Tressen für ihre Halbperücke fanden zuerst andiesem Holzkopfmodell Halt. An ihm erprobte er die teuren Chinahaare, die veredelten, gebleichten und gewellten Indohaare, die Federn und die Bänder, den Baumwolltüll. Und wenn er sich dann schließlich an ihr, der lebenden Person, zu schaffen machte und ihr Äußeres in Schwung brachte, so war das für ihn jedes Mal nur der gerechte Lohn für seine Anstrengung: das Bild einer gemachten Frau dank modisch perfekter Frisurenlinie. Es war für ihn ganz einfach nur folgerichtig, dass die Damen zu Hofe, die Freundinnen der Gräfin Csöke, ihre Herzallerliebsten, Gnädigsten, ihre Schwägerinnen, Basen und Nichten, unter seinen Fingern zum Maximum ihrer Anlagen fanden. Freilich, zuweilen waren diese Anlagen doch recht dürftig, vielleicht weil sich viele so fürchterlich und heimlich grämten über ihr Nichtstun, und Nichtstun war František Schön ein Gräuel. Aber dennoch, sie wurden durch sein Werk zum bestmöglichen Vorzeigeobjekt, und mehr waren sie ja auch nicht, oder?
    Nein, sie alle nicht. Die da in ihrer Phantasie Leidenschaften ausbrüteten, die sie nicht einmal der besten Freundin hinter vorgehaltener Hand ins Ohr zu flüstern gewagt hätten und von denen ihre Ehemänner ganz bestimmt nicht die geringste Ahnung hatten. Das wusste er schon, er spürte es an ihren anzüglichen Blicken, den mehrdeutigen Bemerkungen, den Föppeleien, die er dann und wann über sich ergehen lassen musste, speziell, wenn die eine Dame die andere in seiner Gesellschaft antraf. Aber dafür konnte er nichts. Er hatte sie nicht ermuntert, er war nicht an ihnen interessiert. Nicht an ihnen als Figuren, als Frauen, menschlichen Wesen von Verstand gar, das, woran er tatsächlich ab und zu eine

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