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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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nicht ohnmächtig. Ihr Sinn für das Gesunde entdeckte im Gegenteil ein geschärftes Bewusstsein, als seien seine Nerven empfindlicher eingestellt worden. Seine Aura kündete von äußerster Konzentration: traumgleich klar und zugleich machtlos. Linden nahm automatisch an, er horche auf den Stein und habe das Gesicht zwischen die Blöcke gepresst, um sein Flüstern besser zu hören. Als sie ihn erreichte, sah sie jedoch, dass sie sich getäuscht hatte. Der Alte horchte nicht, sondern war ängstlich zusammengeduckt. Angst stieg wie Dampf von ihm auf. Er hatte seinen Kopf zwischen die beiden Steine gezwängt, als könnten sie ihm die Ohren verstopfen. Erdkraft durchpulste ihn wie das Hämmern eines von Angst erfüllten Herzens.
    »Anele, was hast du?« Das hatte sie ihn schon allzu oft gefragt. Er brauchte mehr als ihre besorgte Verständnislosigkeit. »Was hörst du?«
    Die von ihm gewählten Steine waren verhältnismäßig glatt. Wind und Wasser und Zeit hatten ihre Rauheit abgeschliffen, sodass sie an den Boden des Gefängnisses in Steinhausen Mithil, die kleine Plattform des Kevinsblicks erinnerten.
    »Geh fort.« Der Fels dämpfte seine Stimme. »Anele spricht nicht. Ihm wird befohlen. Er gehorcht. Anele gehorcht.«
    Ihm wurde befohlen? Von Steinen? Linden musste dem Impuls widerstehen, ihn am zerschlissenen Gewand zu packen und aus seinem Schlupfwinkel zu zerren. Verwirrung und Sonnenbrand ließen ihre Schläfen pochen.
    »Anele«, wiederholte sie so ruhig wie möglich, »was hast du? Sprich mit mir.«
    »Geh fort«, krächzte er nochmals. »Anele verlangt es. Er bittet dich. Ihm wird befohlen. Er darf nicht sprechen.«
    »Verdammt noch mal!«, murmelte Linden aufgebracht. »Du machst mich wahnsinnig.« Sie konnte sich nicht beherrschen; der Aufstieg über den Felsgrat hatte nicht nur ihre körperlichen Reserven erschöpft. »Ich bin die beste Freundin, die du je gehabt hast. Die Ramen wollen dir helfen. Liand will dir helfen. Sogar Stave ...« Gottverdammt noch mal! »... will nicht, dass du Schmerzen leidest. Komm dort raus und sprich mit mir.« Während Linden einerseits der Mut fehlte, seine Notlage energisch anzugehen, konnte sie andererseits ihre Frustration niemandem außer sich selbst vorwerfen.
    »Spürst du es denn nicht?«, protestierte der Alte. »Wird dir nichts befohlen? Anele darf nicht sprechen.«
    Von Aneles eigenartigem Verhalten und ihrer Eindringlichkeit angelockt, versammelten Liand, Stave und die Ramen sich hinter ihr, doch Linden achtete nicht auf sie. »Nein«, sagte sie abwehrend, »ich spüre nichts. Die einzige Kraft, die ich hier wahrnehme, ist deine.« In ihrem erschöpften Zustand hätte sie jeder Zwang ausübenden Kraft erliegen können. »Rede endlich vernünftig. Weshalb um Himmels willen sollten die Steine dir befehlen, nicht zu sprechen?«
    So jäh, dass sie instinktiv zurückwich, hob Anele ruckartig den Kopf und warf sich auf den Rücken, sodass er ihr zugewandt war. Blut, das ihm wieder ins Gesicht schoss, färbte seine Wangen hochrot, grell wie Wundmale. Seine weißen Augen blitzten vor Zorn. »Die Steine befehlen nichts, Närrin! Dies ist das wahre Urgestein der Erde – zu ehrlich, um angreifbar zu sein. Es erinnert sich nur, hält Geschehenes fest.« Dann sackte der Alte zusammen. Vielleicht fühlte er Lindens Schock, obwohl er ihn nicht sehen konnte. Sein Zorn schien mit jedem Wort zu verschleißen und von ihm abzufallen, bis er schließlich wehrlos zurückblieb. »Verstehst du das nicht?« Seine Stimme bebte. »Es erinnert sich.«
    »Wer also sonst?«, fragte sie rasch, um eine Antwort zu bekommen, solange er noch vernünftig reden konnte. »Wer befiehlt dir?«
    Welche Geheimnisse hatten die Steine ihm erzählt?
    Sie suchte ihn hastig nach Anzeichen für die Anwesenheit des Verächters ab, entdeckte jedoch keine.
    » Er wünscht es nicht.« Nun kostete jedes Wort Anele mehr Anstrengung, mehr Qualen. Irgendein Zwang schien sich gegen ihn zusammenzuballen. » Er befiehlt mir. Würde Anele nicht gehorchen, würde er flüstern, was dieser Fels ...« Er wedelte mit den Armen, wollte offenbar die Steilwände ebenso wie den Felsgrat bezeichnen. »... laut ausruft. Er würde von dem Gewahrsam, den Skurj, den Elohim erzählen. Er würde Kasteness nennen ...« Dann war es mit der Widerstandskraft des Alten vorbei. Er sprang wimmernd auf und flüchtete über die Felsen, als verdammten Peitschenhiebe ihn zum Schweigen.
    Linden ließ den Kopf hängen. Armer Anele! War sein Leiden

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