Die Runen der Erde - Covenant 07
Sattel begannen. Frustration ballte sich in ihrem Inneren wie eine schwarze Gewitterwolke zusammen, die sich in Blitzen entladen würde. Sie wusste nicht, wie sie den Ausbruch dieses Sturms verhindern sollte. Erhielt sie nicht sehr bald klare Antworten auf ihre Fragen, würden die aufgestauten Emotionen sich gewaltsam Luft machen.
*
Am Fuß des Felsgrats, mit den Stiefeln auf dem Saum des üppigen Grüns in dem geschützten Tal stehend, ließ sie Liand los, um ihren Blick von dem langen Pfad zu heben und sich umzusehen. Die Berge schienen gewachsen zu sein, während sie zu Tal gestolpert war. Vom Sattel aus hatten sie nicht so hoch ausgesehen, und das Grasland, das sie umschlossen, schien sich meilenweit zu erstrecken. Nun ragten sie jedoch machtvoll in den Himmel auf: strenge Gesichter aus Granit, die mit dem majestätischen Hochmut von Titanen auf Linden herabblickten. Und der Talgrund wirkte kleiner, durch seine Lage zwischen gewaltigen Bergmassiven über Gebühr reduziert; die jenseitigen Bergflanken schienen fast unersteigbar. Im Gegensatz dazu war das Gras noch reicher und üppiger, als es aus der Höhe gewirkt hatte. Im Lauf der Jahrtausende hatten Zeit und Wetter das Tal fruchtbar gemacht. Gras von der Farbe destillierter Smaragde reichte Linden bis zu den Waden und wucherte so dicht, dass sie sich fragte, ob sie es würde durchschreiten können. Durch den Anblick so vieler ungebundener Vitalität beruhigt, ließ Linden ihren Sinn für das Gesunde weiter schweifen – und entdeckte Aliantha, die nur wenige Dutzend Schritte entfernt wuchsen.
Mit der Kraft von Schatzbeeren konnte sie vermutlich mit den Ramen mithalten, ohne Unterstützung zu brauchen.
Hami hatte bereits mehrere Seilträger vorausgeschickt, um ihre Rückkehr melden zu lassen, und die jungen Ramen schienen durchs hohe Gras davonzuströmen, ohne es niederzutrampeln oder sich ihren Weg mit Gewalt zu bahnen. Der Rest der Schar hatte sich um Linden versammelt und schien darauf zu warten, dass sie wieder zu Kräften kam.
Stave jedoch hielt sich abseits, schien durch die strikten Absichten der Meister isoliert. Und Anele war ins Gras hinausgewandert, vermutlich um etwas Abstand von dem Haruchai zu halten. Eine Seilträgerin hatte Somo an Liands Stelle ins Tal hinabgeführt, damit der Steinhausener sich ganz auf Linden konzentrieren konnte.
Mit weichen Knien strebte Linden durchs Gras auf die Aliantha -Sträucher zu. Sie konnte nicht wie die Ramen einer Brise gleich zwischen den Halmen und Rispen hindurchgleiten; Gras verhedderte sich an ihren Stiefeln und Schienbeinen und wurde abgerissen, als sie sich gewaltsam befreite. Unterhalb der Knie bekamen ihre Jeans grasgrüne Flecken. Hätte seine schlichte Üppigkeit nicht ihre Sinne besänftigt, hätte sie das Gefühl haben können, im Gras festzustecken, von ihm aufgehalten und behindert zu werden.
Wie das Gras wuchsen die Aliantha auf diesem fruchtbaren Boden besonders üppig. Die Sträucher breiteten ihre knorrigen Zweige, die dicht mit chromgrünen Beeren besetzt waren, weithin aus. Linden pflückte hungrig eine Handvoll Beeren nach der anderen, verspeiste sie wie eine Delikatesse und fühlte dabei, wie ihr Saft den Geschmack der Niederlagen aus ihrer Kehle spülte, während ihre erschöpft verkrampften Muskeln sich zu entspannen begannen. Als sie sich satt gegessen hatte, fühlte sie sich leichter, von Grund auf erholt, als hätte sie an einem Abendmahl teilgenommen. Die Gaben des Landes hatten sie bis ins Knochenmark hinein berührt.
Liand und die Ramen waren ihr zu den Aliantha gefolgt. Jeder von ihnen aß zwei oder drei Beeren und verstreute nach altem Brauch die Samen; da sie jedoch weniger bedürftig waren als Linden, aßen sie nicht mehr. Nachdenklich, als spräche sie mit sich selbst, stellte die Mähnenhüterin fest: »Kein Diener Fangzahns begehrt oder verzehrt Aliantha. Die Wirkung der Beeren ist zu stark.«
Als hätte sie ihn herausgefordert, trat Stave vor, pflückte eine Schatzbeere und kaute sie gleichmütig.
Um sich herum spürte Linden eine subtile Veränderung der von den Ramen abgestrahlten Ausstrahlung. Vielleicht hatten ihre Gefährten und sie eine Art Test bestanden. Doch Linden wollte noch einen weiteren bestehen. Oben auf dem Felsgrat hatte sie Liand und die Ramen gebeten, Geduld zu haben, während sie Aneles Ausbruch zu enträtseln versuchte. Jetzt hatte sie das Gefühl, ihnen eine Erklärung schuldig zu sein. Das Reden würde ihr leichter fallen, während sie
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