Die Runen der Erde - Covenant 07
beistehen.«
»Dann erzählt mir, was gestern Abend geschehen ist. Mit den Ranyhyn, meine ich. Solche Pferde habe ich noch nie gesehen. Sie haben mich akzeptiert, habt ihr gesagt. Und Stave wohl auch? Was heißt das in der Praxis?« Sie kam sich wieder unbeholfen vor, als sie hinzufügte: »Ich weiß überhaupt nichts von ihnen.«
»Ah, die Ranyhyn.« Auf Hamis Miene zeichnete sich stille Freude ab, als sie von ihnen sprach. »Wir sind die Ramen, Ring-Than. Uns steht es nicht zu, von ihnen zu sprechen. Wir sind ihre Diener, in keiner Weise ihre Hüter, wie manche uns genannt haben. Sie sind Sinn und Zweck unseres Lebens, und solange noch ein Ranyhyn lebt, um durch die Wunder dieser Welt zu galoppieren, zieht kein Ramen sich aus seinem Dienst zurück. Tatsächlich wirkt der Dienst stärkend und erhaltend auf uns. Wir sind, wer wir sind, und sind es über die Jahrtausende hinweg geblieben, weil der Wert derer, denen wir dienen, den Wert unseres Dienstes erhält.«
Linden merkte, dass ihre Hände leicht zitterten, während sie zuhörte; die Keramikschale zwischen ihren Fingern fühlte sich zerbrechlich an, als könnte sie – ebenso wie Lindens Hoffnungen – jeden Augenblick in Ton und Staub zerfallen. Das Timbre von Hamis Stimme beeindruckte sie mehr als die Worte der Mähnenhüterin. Aus der Zufriedenheit und Unverfälschtheit von Hamis Freude schien sie die schrankenlose Dienstbereitschaft der Ramen herauszuhören: ein Dienst, der so altehrwürdig war, dass Linden sich davon klein vorkam. Weil sie Angst hatte, sie könnte die Schale fallen lassen, nahm Linden sie auf den Schoß. Dann faltete sie die Hände darum, um ihr Zittern zu verbergen.
»Aber du hast mit eigenen Augen gesehen«, fuhr Hami fort, »dass die Ranyhyn Wesen von Erdkraft sind. Sie enthalten den Überfluss des Landes und verkörpern ihn zugleich. Wundert dich unser Dienst an ihnen, nachdem du sie nun selbst gesehen hast? Und weißt du damit nicht alles, was du über die Ramen wissen musst?«
Hier hätte Linden vielleicht den Kopf geschüttelt, aber die Mähnenhüterin machte keine Pause.
»Dass die Ranyhyn dich akzeptiert haben, steht ganz außer Zweifel. Sie sind nur durch deine Gegenwart angelockt hergekommen ...« Hami sprach plötzlich nachdrücklicher. Sie beugte sich nach vorn. »Ring-Than, hör mir zu! Sie sind gekommen und haben die Köpfe vor dir gebeugt. Eine derartige Ehrenbezeugung haben wir Ramen in den langen Jahren unseres Diensts noch nie erlebt.« Linden spürte ihren brennenden Blick auf sich, aber Dohn und Mahrtiir beobachteten Hami mit fast verzückten Mienen. »Vor Ur-Lord Thomas Covenant, der einst der Ring-Than war, haben die Ranyhyn – eine ganze Herde der großen Pferde – sich zugleich aufgebäumt. Niemals zuvor und niemals wieder haben die Ranyhyn solcherlei getan, aber in dieser Ehrung hat zugleich eine Mischung von Angst und Zwang gelegen, wie der Ur-Lord selbst zugegeben hat. Dir jedoch, so erscheint es uns, haben die Ranyhyn eine noch größere Ehre erwiesen, denn sie haben ergeben die Köpfe gebeugt, ohne Angst vor dir zu empfinden.«
Hami setzte sich wieder auf, ließ ihre Hände einen Augenblick lang auf den Schultern der beiden anderen Mähnenhüter ruhen. Mahrtiir starrte seine zwischen den Knien geballten Fäuste an, aber Dohn hob eine Hand, um Hamis Finger tröstend oder aufmunternd zu drücken.
Liand hörte wie gebannt zu. Anscheinend hatten die Ranyhyn ihn verzaubert.
Als Hami weitersprach, war die Intensität aus ihrem Tonfall gewichen.
»Was bedeutet diese Anerkenntnis? Diese Frage kann kein Ramen beantworten. Sie betrifft nur dich und Hyn, die ihren Kopf vor dir geneigt hat, wie sie den Schlaflosen und Hynyn betrifft.« Ihre Miene ließ erkennen, dass sie daran zweifelte, ob Hynyn klug gewählt hatte. »Eines kann ich jedoch bestimmt sagen: Hyn und Hynyn haben ihre Bereitschaft erklärt, sich von euch reiten zu lassen. Diese Gunst wird selten gewährt. Ist sie einmal gewährt, wird sie jedoch niemals widerrufen. Solange du lebst, tragen die Ranyhyn dich, wohin du auch willst. Und sollte Hyn durch einen unglücklichen Zufall umkommen, während du weiterlebst und bedürftig bleibst, nimmt ein anderes Ranyhyn ihren Platz ein, damit ihre Anerkennung weiterhin Kraft besitzt.«
Wohin du auch möchtest, dachte Linden hoffnungsvoll und besorgt zugleich.
Halt dich an die Ranyhyn.
Fast zwanghaft klaubte sie ein paar getrocknete Früchte aus der Schale, steckte sie in den Mund und kaute sie, um ihre
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