Die Runen der Erde - Covenant 07
sich dabei zufügte. »Orthopädie ist ohnehin nicht gerade meine Spezialität. Erwarte nur nicht, dass ich dabei zusehe. Ich muss mit Mähnenhüterin Hami sprechen.« Und mit Liand und Anele. Von Esmer ganz zu schweigen. »Ich komme später wieder vorbei und sehe nach dir.«
Andere Notwendigkeiten, die sie zurückgestellt hatte, während sie sich um ihn gekümmert hatte, erwarteten sie. Es wurde Zeit, sich ihrer anzunehmen. Ohne eine Antwort abzuwarten, verließ sie die Wohnstätte und trat in die zunehmende Wärme des Morgens hinaus. Um sie herum herrschte im ganzen Lager stilles, geschäftiges Treiben; Essensduft mischte sich mit den Gerüchen von Kochfeuern und Farnkraut. Sie sah Seilträger, die Bündel packten, die Dächer von Wohnstätten reparierten oder Kleidungsstücke reinigten oder flickten. Die Grenze des Wanderns lag noch im Schatten, aber helles Tageslicht leuchtete über den dunklen Silhouetten der Berge im Osten, glänzte auf den Schneegipfeln im Westen. Außer dem aromatischen Geruch von Holzfeuern schien frische Süße wie der Geschmack von Aliantha in der Morgenluft zu schweben. Wieder und wieder musste Linden sich daran erinnern, dass sie das Land liebte.
Sie gehörte nicht hierher; sie war zu schmutzig. Nach den Ereignissen der letzten drei Tage brauchte sie ein Bad. Ihr Haar fühlte sich wie eine Schlammpackung auf ihrem Kopf an, und ihre Kleidung war von Schweiß und Dreck steif; außerdem hatte ihr Fußmarsch durch das Tal an den Beinen ihrer Jeans ein Gittermuster aus Grasflecken zurückgelassen. Aber sie konnte keine Zeit für ein Bad oder sonstige Annehmlichkeiten erübrigen. Erst recht konnte sie keine Stunde damit verbringen, ihre Kleidung zu waschen. Esmer hatte einige ihrer Fragen beantwortet, und ihr Ziel stand ihr klar vor Augen.
Als sie sich in der würzigen Morgendämmerung umsah, fiel ihr Blick auf Seilträger Char, der in der Nähe stand und sie ernst beobachtete. Sahahs Rückkehr hatte ihren kleinen Bruder offenbar in seiner Entschlossenheit bestätigt, Linden zu Diensten zu sein, denn dieses Versprechen lag in seinem Blick. »Bist du hungrig, Ring-Than?«, fragte er respektvoll. »Willst du dein Fasten brechen?«
Oh, sie war ohne Frage hungrig. Andere Bedürfnisse waren jedoch wichtiger. »Danke, etwas später«, antwortete sie mit matter Höflichkeit. »Zuvor muss ich mit Mähnenhüterin Hami sprechen.«
Char machte sofort kehrt, als hätte sie ihm einen Auftrag erteilt.
»Aber erzähl mir erst von Anele«, fügte sie rasch hinzu. »Wie geht es ihm?« Für einen Augenblick befürchtete sie, weil Anele auf so grausige Weise besessen gewesen war, betrachteten die Ramen sich womöglich nicht mehr als seine Freunde. Trotzdem brauchte sie ihn dringend, sogar mehr denn je. Er war der Sohn Sunders und Hollians. Und Esmer hatte zugegeben, dass es möglich sein könnte, den Stab des Gesetzes wiederzufinden ...
Char antwortete jedoch, ohne zu zögern: »Er scheint sich wohlzufühlen, ist zäh und abgehärtet. Er hat einige Zeit geschlafen. Als er aufgewacht ist, hat er das angebotene Essen zu sich genommen. Seitdem streift er umher, scheinbar ohne Ziel und Zweck. Wir behalten ihn im Auge, aber ...« Der junge Seilträger zuckte leicht mit den Schultern. »... er scheint keinerlei Ziel zu verfolgen. Wir holen ihn zurück, wenn das dein Begehr ist.«
Linden, der so viel Aufmerksamkeit unangenehm war, schüttelte den Kopf. »Noch nicht, danke. Der arme Mann scheint nicht viel Ruhe zu finden, wenn ich in der Nähe bin.« Dann wiederholte sie: »Aber ich muss mit Mähnenhüterin Hami sprechen. Richtest du ihr das bitte aus?«
Sie wollte tätig werden, bevor ihr Mut sie verließ.
Char quittierte diesen Auftrag mit einer kleinen Verbeugung, verschwand rasch zwischen den Wohnstätten und überließ Linden ihren Gedanken.
Halt dich an die Ranyhyn, hatte Esmer gesagt. Das schien ein nützlicher Rat zu sein, den sie aber nur befolgen konnte, wenn sie Hami um Hilfe bat.
Das Warten fiel ihr schwer, weil sie vor Nervosität ruhelos war. Zum Glück tauchte Hami bald zwischen den Wohnstätten auf. Sie brachte ein kleines Gefolge mit, das aus zwei weiteren Mähnenhütern und dem Seilträger Bhapa bestand. Alle verbeugten sich förmlich vor Linden, als sei ihr Status als fremde Herrscherin auf Staatsbesuch in der vergangenen Nacht irgendwie bestätigt worden. Linden revanchierte sich, so gut sie konnte; ihr fehlte jedoch die mühelose Grazie der Ramen, und ihre Unbeholfenheit bewirkte, dass
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