Die Saat
Licht seiner Lampe versetzte den Vampir in Panik, er drehte sich um, das indigoblau beleuchtete Gesicht vor Angst verzerrt.
Eph schwang sein Schwert und enthauptete ihn.
Der Körper des Vampirs fiel zu Boden, und Eph bückte sich, um den triefenden Hals mit der Luma-Lampe anzustrahlen und so die Blutwürmer abzutöten. Keuchend richtete er sich wieder auf, doch dann stockte ihm der Atem.
Er hörte etwas. Nein, er fühlte es. Es war überall um ihn herum. Keine Schritte oder andere Bewegungen, nur ... etwas.
Er zog die kleine Taschenlampe heraus und schaltete sie ein. Überall auf dem Boden des Tunnels lagen tote Körper. Die Augen standen offen und starrten ins Nichts.
Es waren die frisch Infizierten. Und die seltsamen Geräusche, die Eph hörte, waren die Metamorphosen, die in ihren Körpern stattfanden: die Tumore, die sich in den Organen ansiedelten, die Stachel, die sich ausbildeten.
Es waren Dutzende, außerhalb der Reichweite des Lampenstrahls nur vage erkennbar: Männer, Frauen, Kinder. Auf der Suche nach Kelly richtete Eph die Lampe auf jedes einzelne Gesicht und hoffte dabei inständig, dass er sie hier nicht finden würde.
Er suchte immer noch nach ihr, als Vasiliy und Setrakian ihn eingeholt hatten. »Sie ist nicht hier«, sagte er mit einer Mischung aus Erleichterung und Verzweiflung.
Setrakian hatte die Hand auf die Brust gepresst. Er bekam kaum Luft. »Wie weit ist es noch?«
»Das hier war eine weitere City-Hall-Haltestelle«, sagte Vasiliy, »die jedoch nie in Betrieb genommen und nur als Abstellgleis benutzt wurde. Was bedeutet, dass wir jetzt direkt unter der Broadway Line sind. Diese Biegung führt um das Woolworth-Gebäude herum. Die nächste Station ist Cortland Street. Das heißt, dass das World Trade Center ... « Er sah nach oben, als könnte er zehn bis fünfzehn Stockwerke durch den Stein bis zur Oberfläche sehen. »Wir sind ganz in der Nähe.«
»Dann lasst es uns zu Ende bringen«, sagte Eph. »Jetzt sofort.«
»Warten Sie!« Setrakian versuchte noch immer, seinen Herzschlag zu beruhigen. Das Licht seiner Taschenlampe glitt über die Gesichter der Infizierten. Dann kniete er sich hin, um einige von ihnen mit dem Silberspiegel zu überprüfen. »Wir müssen hier zuerst noch unserer Verantwortung nachkommen. «
Vasiliy übernahm die Aufgabe, die Vampire zu töten, und jede Enthauptung war ein weiterer Schlag gegen alles, wofür Eph einmal gestanden hatte, doch er zwang sich dazu, genau hinzusehen.
Denn Eph war ebenfalls verwandelt worden. Nicht in einen Vampir - sondern in einen Mörder.
Das Grundwasser stieg an, je weiter sie in die Katakomben mit ihren seltsamen Wurzeln, Ranken und Albinogewächsen vordrangen. Im Schein der vereinzelten gelben Tunnellichter waren nirgendwo mehr Graffiti zu erkennen. Weißer Staub lag auf dem Boden. Die Überreste des World Trade Center. Mit der Ehrfurcht, die man einem Friedhof entgegenbringt, vermieden sie es hineinzutreten.
Die Decke wurde niedriger, und der Tunnel endete schließlich in einer Sackgasse. Im oberen Teil der Wand entdeckte Setrakian eine Öffnung, gerade groß genug, um hindurchzuschlüpfen. Ein Rumpeln, zuerst noch vage und weit entfernt, wurde ständig lauter. Im Schein der Taschenlampen fing das Wasser in den Pfützen an zu zittern. Es war unverkennbar das Dröhnen einer U-Bahn. Sie drehten sich entsetzt um, obwohl der Tunnel, in dem sie sich befanden, gar keine Gleise hatte.
Der Zug kam direkt auf sie zu - nur glücklicherweise eine Ebene über ihnen. Das Quietschen, Dröhnen und Zittern erreichte nahezu die Stärke eines Erdbebens - und augenblicklich begriffen sie, dass dieser ohrenbetäubende Lärm ihre Chance war.
Sie quetschten sich durch die Lücke und hasteten in einen weiteren schienenlosen Gang. Ein Strang dunkler Baulampen an der Decke tanzte unter der Wucht des vorbeifahrenden Zuges. Schotter- und Geröllberge waren hinter zehn Meter hohe Stahlträger geschoben worden. Sie erkannten einen gelblichen Lichtschein vor sich, schalteten die Lumas aus, eilten durch den dunklen Tunnel, sahen, wie er sich weitete und nach einer Biegung zu einer großen Höhle öffnete.
Als der Boden zu vibrieren aufhörte und das Donnern des Zuges verklungen war, wurden sie langsamer, um möglichst wenig Lärm zu machen. Eph spürte die Vampire, noch bevor er die Umrisse der auf dem Boden sitzenden oder liegenden Wesen sah. Die Kreaturen waren durch ihre Anwesenheit erwacht, setzten sich auf, griffen jedoch nicht an. Sie hatten in
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