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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Nickerchen gemacht.«
    »Erinnern Sie sich, dass Sie die Rückenlehnen der Sitze abgesenkt haben?«
    »Die waren bereits unten. Sonst hat man keine Beinfreiheit, um sich auszustrecken. Warum?«
    »Ist Ihnen dort sonst etwas Ungewöhnliches aufgefallen?« »Da oben? Nein, nichts. Was soll da schon sein?«
    Eph trat einen Schritt zurück. »Wissen Sie irgendetwas über eine schwarze Kiste im Frachtraum, etwa so groß wie ein Schrank?«
    Redfern schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber klingt ganz so, als hätten Sie eine Spur. «
    »Nicht unbedingt. Im Grunde sind wir noch genauso ratlos wie Sie.« Eph verschränkte die Arme, während Nora ihre Luma-Lampe anknipste und das Licht über Redferns Arme wandern ließ. »Deshalb ist Ihre Einwilligung hierzubleiben so wichtig. Ich würde gerne eine vollständige Testreihe durchführen. «
    Redfern beobachtete das indigoblaue Licht auf seiner Haut. »Wenn es hilft herauszufinden, was hier passiert ist, mache ich gern das Versuchskaninchen.«
    Eph nickte dankbar.
    »Wann haben Sie sich die Narbe hier zugezogen?«, fragte Nora.
    »Welche Narbe?«
    Nora betrachtete die Vorderseite von Redferns Hals. Er legte den Kopf zurück, so dass sie die feine Linie berühren konnte, die im UV-Licht tiefblau leuchtete. »Sieht beinahe aus wie ein chirurgischer Einschnitt.«
    Redfern legte eine Hand auf seinen Hals. »Da ist nichts.« Und tatsächlich: Als Nora die Lampe ausschaltete, war der dünne Strich nicht mehr zu sehen. Sie knipste das Licht wieder an, damit Eph die Narbe untersuchen konnte. Sie war etwa eineinhalb Zentimeter lang und einen, höchstens zwei Millimeter breit. Die Haut darüber schien ziemlich frisch zu sein.
    »Wir führen später eine Kernspintomographie durch«, sagte Eph. »Die wird uns mehr zeigen.«
    Nora schaltete den Lichtstab wieder aus, und Redfern rieb sich die Augen. »Wissen Sie ... « Er zögerte. »Da ist noch etwas anderes. Ich erinnere mich an etwas, aber Sie müssen mir versprechen, mich nicht für verrückt zu halten ... «
    Eph nickte. »Wir sind für alles dankbar, was Sie uns mitteilen können.«
    »Also gut, als ich ohnmächtig wurde ... da habe ich geträumt.« Redfern hielt inne, sah sich peinlich berührt um, dann fuhr er mit leiser Stimme fort. »Wissen Sie, als kleiner Junge wohnte ich bei meiner Großmutter und habe in diesem riesigen Bett geschlafen. Und jede Nacht, Punkt zwölf, wenn die Glocken der nahe gelegenen Kirche läuteten, kam hinter dem großen alten Kleiderschrank ein
Ding
hervor. Jede Nacht, ohne Ausnahme. Ein Ding mit schwarzem Kopf, langen Armen und knochigen Schultern. Es kam hinter dem Schrank hervor und starrte mich an.«
    »Starrte Sie an?«
    »Es hatte einen schartigen Mund mit schmalen, schwarzen Lippen. Es starrte mich an und ... lächelte einfach nur.« Eph und Nora hörten wie gebannt zu.
    »Dann fing ich an zu schreien, bis meine Großmutter das Licht einschaltete und mich mit in ihr Bett nahm. Das ging über ein Jahr so. Ich nannte ihn Mr. Leeeh. Weil seine Haut ... diese schwarze Haut, sie hat genauso ausgesehen wie die dicken Blutegel, die wir in einem Bach in der Nähe gesammelt haben. Die Kinderpsychiater nahmen mich unter die Lupe. Sie nannten Mr. Leech einen >Nachtschreck< und zählten mir etliche Gründe auf, warum es ihn nicht gab. Aber ... er kam trotzdem jede Nacht wieder. Jede Nacht versteckte ich mich unter der Bettdecke, doch es war zwecklos. Ich wusste, dass er dort war, in diesem Zimmer ... « Redfern verzog das Gesicht. »Schließlich zogen wir um, meine Großmutter verkaufte den alten Kleiderschrank, und ich habe Mr. Leech nie wiedergesehen. Habe auch nie wieder von ihm geträumt.«
    Eph räusperte sich. »Verzeihen Sie, Kapitän, aber was hat das alles hiermit zu tun?«
    »Nun, das Einzige, woran ich mich zwischen dem Landeanflug und dem Moment, als ich hier aufgewacht bin, erinnere, ist ... dass er wieder da ist. Ich habe Mr. Leech wiedergesehen. In meinen Träumen. Und er hat gelächelt.«
     
    ZWEITES ZWISCHENSPIEL
    Das brennende Loch
     
    Der Alptraum war immer der gleiche: Abraham - mal alt, mal jung -, nackt und vor der riesigen Grube kniend, die brennenden Leichen unter sich, während ein Nazi-Offizier die Reihe der Häftlinge abschritt und einen nach dem anderen durch Genickschuss tötete. Das brennende Loch lag hinter der Krankenstation des Lagers. Häftlinge, die für die Arbeit zu krank oder zu alt waren, wurden durch die weiß getünchten Baracken mit dem roten Kreuz an den Wänden

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