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Die Saat

Die Saat

Titel: Die Saat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guillermo Del Toro
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Handschrift wie auf den beiden Karteikarten: KEINE ZWISCHENSTOPPS.
    Gus saß am Fenster des
Insurgentes,
aß Spiegeleier mit reichlich Tabasco und starrte den weißen Van an, den er in zweiter Reihe auf dem Queens Boulevard geparkt hatte.
     
    Seit er aus dem Knast war, hatte er noch kein einziges Frühstück ausgelassen; er liebte es zu frühstücken und bestellte sich nur das Beste: extra knusprigen Speck, den Toast fast schwarz.
    KEINE ZWISCHENSTOPPS ... Die konnten ihn mal! Er beobachtete den Van, überlegte, was er als Nächstes tun sollte, wartete, dass irgendetwas passierte. Wurde er beobachtet? Falls ja, wie nah waren sie an ihm dran? Und wenn sie ihn beobachteten - warum fuhren sie den verdammten Van dann nicht einfach selbst?
    Was war in diesem Van?
    Einige
cabrones
näherten sich neugierig dem Wagen, verpissten sich aber schleunigst, als Gus das Lokal verließ. Sein Flanellhemd blähte sich in der spätnachmittäglichen Brise, schwarze Tattoos mit roten Akzenten bedeckten seine nackten Unterarme - der Ruf der Latin Sultans reichte weit über Spanish Harlem hinaus, im Norden und Osten bis in die Bronx, im Süden bis runter nach Queens. Sie hatten zwar nicht besonders viele Mitglieder, warfen aber einen langen Schatten. Wenn man sich mit einem von ihnen anlegte, hatte man früher oder später einen Krieg am Hals.
    Gus startete den Wagen und fuhr weiter nach Westen Richtung Manhattan, wobei er nach möglichen Verfolgern Ausschau hielt. Als der Van über ein paar Schlaglöcher holperte, lauschte er konzentriert, aber von hinten war nichts zu hören. Trotzdem drückte irgendetwas Schweres auf die Federung.
    Er bekam wieder Durst und hielt ein weiteres Mal an, vor einem kleinen Supermarkt, wo er sich zwei Dosen Tecate-Bier holte. Er steckte eine davon in den Becherhalter und fuhr weiter. Auf der anderen Seite des Flusses tauchte die Skyline von Manhattan auf, während hinter ihm die Sonne unterging. Die Nacht brach herein, was ihn an seinen älteren Bruder Crispin denken ließ, diesen beschissenen kleinen Junkie, der genau in dem Moment aufgekreuzt war, als Gus sich gerade alle Mühe gegeben hatte, mal nett zu seiner
madre
zu sein. Der Kerl schwitzte gerade auf dem Sofa im Wohnzimmer die Scheißchemie aus seinem Körper. Am liebsten hätte ihm Gus eine rostige alte Klinge zwischen die Rippen gejagt. Trug seine Scheißkrankheit in ihr Heim! Crispin war ein verdammter Zombie, aber seine Mutter wollte ihn einfach nicht vor die Tür setzen. Stattdessen ließ sie ihn gewähren, redete sich ein, dass er in ihrem Badezimmer
kein
H drückte, und wartete darauf, dass er mit etlichen ihrer Sachen wieder verschwand.
    Gus entschied, einen Teil des
dinero sucio
für seine
madre
beiseitezulegen. Um ihn ihr zu geben,
nachdem
Crispin sich wieder verpisst hatte. Ihr eine Freude machen. Einmal in seinem Leben das Richtige tun ...
    Vor dem Tunnel zückte er sein Handy und wählte. »Yo,
    Felix. Hol mich ab, Mann.«
    »Wo steckst du, Bruder?«
    »Unten beim Battery Park.« »Battery Park? So weit draußen?«
    »Fahr rüber zur 9th, dann einfach geradeaus. Wir machen einen drauf. Party, Mann! Und wegen der Kohle, die ich dir noch schulde - ich hab heute 'n bisschen Cash gemacht. Ach ja, und bring mir 'n Jackett mit, Mann. Und saubere Schuhe. Damit sie mich in die Clubs lassen.«
    »Scheiße, Mann. Sonst noch was?«
    »Nimm einfach die Finger aus der
concha
deiner Schwester und hol mich ab.
Comprendes?«
    Gus fuhr aus dem Tunnel und durchquerte fast ganz Manhattan, bevor er nach Süden abbog. Sobald er auf der Church Street südlich der Canal war, begann er, auf die Straßenschilder zu achten.
    Die Adresse, die auf der Karteikarte stand, war ein von Baugerüsten umstelltes Loftgebäude in einem ruhigen Wohnviertel. Die Fenster waren mit Baugenehmigungen geradezu vollgepflastert, doch weit und breit waren keine Baufahrzeuge zu sehen. Der Zugangscode öffnete die Stahltür der Tiefgarage. Der Van passte gerade so durch, dann ging es eine Rampe hinunter.
    Gus parkte den Wagen und blieb einen Moment sitzen, lauschte. Die Garage war schäbig und schlecht beleuchtet und kam ihm wie eine erstklassige Falle vor. Staub wirbelte im dämmrigen Licht, das durch die offene Einfahrt fiel. Gus' Instinkt riet ihm, so schnell wie möglich abzuhauen, aber er musste sichergehen, dass er sauber aus der Sache rauskam. Er wartete, während sich das Garagentor schloss.
    Dann faltete er die Blätter und den Umschlag zusammen, stopfte sie sich in die Tasche,

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