Die Sache mit Callie und Kayden: Callie und Kayden 1 - Roman (German Edition)
fragte ich und ging um das Motorrad herum. Es war nicht toll oder so, sah aber irgendwie klasse aus. Und wenn es einen von hier wegbringen konnte, musste es was Besonderes sein. »Wegen Dad?«
Tyler warf den Schraubenschlüssel ziemlich grob in die Kiste und raufte sich das lange braune Haar, mit dem er wie ein Penner aussah – jedenfalls sagte mein Dad das. »Eines Tages, wenn du ein bisschen älter bist, wirst du kapieren, dass alles in diesem Haus eine dicke fette Lüge ist, und dann willst du nichts wie weg hier, koste es, was es wolle.«
Ich stieg auf eine Kiste, hielt mich am Lenker fest und schwang mein kurzes Bein über den Motorradsattel. »Nimmst du mich mit? Ich will auch weg.«
Er ging hinten um das Bike herum und hockte sich hin, um nach den Reifen zu sehen. »Ja, sicher, das mache ich.«
Ich trat das Gaspedal, tat so, als würde ich wegfahren, und für eine Sekunde kam es mir vor, als könnte es ein Leben ohne Schmerz geben. »Versprochen?«
Er nickte, während er mit dem Druckmessgerät hantierte. »Ja, versprochen.«
Wie sich herausstellte, war mein Bruder genauso ein Lügner wie jeder andere im Haus. Er zog am Ende aus und ließ mich zurück, weil er lieber betrunken war, als mit dem Leben klarkommen zu müssen. Einige Jahre später machte mein anderer Bruder, Dylan, seinen Schulabschluss und zog zu Hause aus. Er änderte seine Telefonnummer und sagte keinem, wohin er ging. Seitdem hat niemand mehr von ihm gehört, allerdings weiß ich auch nicht, wie ernsthaft sie es überhaupt versucht haben.
Zu der Zeit war ich zwölf und als Einziger noch zu Hause, was bedeutete, dass sich die Wut meines Dads ganz auf mich konzentrierte. Das machte er mir an dem Abend deutlich, als Dylan seine Sachen packte und verschwand. Vorher waren die Prügel nicht allzu schlimm – Ohrfeigen, Schläge mit seinem Gürtel, und manchmal boxte oder trat er uns. Er hielt sich jedoch immer genug zurück, dass es zwar höllisch wehtat, aber gut versteckt werden konnte.
Ich hatte das Gesicht ans Fenster gepresst und sah Dylan nach, als er die Einfahrt hinunter und in die Dunkelheit fuhr. Nichts wünschte ich mir mehr, als mit ihm in dem Wagen zu sitzen, obwohl Dylan und ich uns nicht sehr nahegestanden hatten. Mein Dad kam von draußen rein und brachte die kalte Abendluft mit ins Haus. Er hatte Dylan den ganzen Weg bis zum Auto angebrüllt, ihm gesagt, was für ein beschissener Vollidiot er war, sein Football-Stipendium sausen zu lassen und nicht im Team spielen zu wollen.
»Was zur Hölle glotzt du da?« Er knallte die Haustür so fest zu, dass die Familienbilder vom Kaminsims fielen.
Ich drehte mich auf der Couch um, setzte mich richtig hin und guckte zu den Bildern auf dem Boden. »Nichts, Sir.«
Er kam auf mich zu. Seine Pupillen waren riesig, und ich konnte den Alkohol in seinem Atem quer durchs Zimmer riechen. Er war größer und stärker als ich, und er hatte diesen Blick, der mir sagte, dass er es zu seinem Vorteil nutzen würde. Ich konnte nichts dagegen tun.
Natürlich kannte ich die Regeln. Steh auf, und versteck dich, bis er sich wieder beruhigt hat! Doch ich konnte mich nicht rühren. Ich dachte nur an meine Brüder, die weg waren und mich zurückgelassen hatten wie ein altes T-Shirt. Früher standen wir das zusammen durch, jetzt war ich alleine übrig. Ich fing an zu weinen, wie ein bescheuertes Kleinkind, und ich wusste, dass ihn das bloß noch wütender machen würde.
»Heulst du? Was ist verflucht nochmal mit dir los?« Er wurde nicht langsamer, als er mit der Faust ausholte und sie mir gegen die Schulter knallte.
Der Schmerz, der in meinen Nacken und meinen Arm hinunterschoss, raubte mir den Atem, und ich kippte auf den Boden, wo ich angestrengt blinzelte, um die schwarzen Punkte aus meinen Augen zu vertreiben.
»Steh auf!« Er trat mir in die Seite, aber ich konnte nicht aufstehen. Meine Beine wollten nicht, und mit jedem Hieb seines Schuhs starb etwas in mir. Mir war alles so egal, dass ich nicht mal die Beine anzog, um mich zu schützen. Ich ließ einfach den Schmerz übernehmen, sodass er meinen Kummer darüber betäuben konnte, dass ich zurückgelassen wurde. »Du bist so ein Schlappschwanz! Deine Brüder haben sich wenigstens gewehrt. Und was bist du? Eine Null! Das ist alles deine Schuld!« Noch ein Tritt, diesmal in meinen Bauch, und der Schmerz fuhr bis nach oben in meinen Kopf.
»Steh auf! Steh auf. Steh auf …« Sein Stiefel rammte in meinen Bauch, und seine Stimme wurde flehend. Als
Weitere Kostenlose Bücher