Die Sache mit Callie und Kayden: Callie und Kayden 1 - Roman (German Edition)
versuche, nicht zu lachen. Nähen nützt gar nichts. Sie flicken Haut, Schnitte, Wunden, heilen das, was außen ist. In mir ist und bleibt alles kaputt. »Mit Narben komme ich klar. Vor allem mit solchen, die außen sind.«
»Ich finde wirklich, dass du dich von deiner Mom zum Arzt bringen lassen solltest und ihr erzählen, was passiert ist«, sagt sie, weil sie nicht aufgeben will.
Ich fange an, Verbandmull abzuwickeln, aber einhändig geht das kaum, und ich lasse die Rolle fallen. »Das wird nie passieren, und selbst wenn, würde es nichts ändern. Nichts ändert sich.«
Sie hebt die Rolle auf, und ich rechne damit, dass sie sie mir zurückgibt; stattdessen wickelt sie den Verbandmull ab. Sie legt ihn auf meine Wunden, sieht meine Narben, bemerkt alles Falsche an ihnen. Da ist etwas sehr Vertrautes in ihrem Blick, als wäre etwas in ihr gefangen. Ich frage mich, ob ich genauso aussehe.
Mein Herz pocht lauter, zum ersten Mal solange ich denken kann. Es beginnt ganz sacht, doch je länger ihre Finger meiner Haut nahe sind, umso dröhnender wird es, bis ich nichts anderes mehr hören kann. Ich versuche, nicht panisch zu werden. Was zur Hölle stimmt nicht mit meinem Herzen?
Sie tritt zurück, hat den Kopf gesenkt, als wollte sie sich verstecken. Mit meinem geschwollenen Auge kann ich kaum ihr Gesicht sehen, und das möchte ich. Fast greife ich nach vorn und berühre sie, aber da geht sie schon, nachdem sie mich noch zweimal gefragt hat, ob es okay ist. Ich tue so, als wäre es mir egal, dabei hämmert mein Herz weiter in meiner Brust, lauter und lauter und lauter.
»Danke«, sage ich. Für alles. Dafür, dass du nicht zugelassen hast, dass er mich schlägt, dass du dazwischen gegangen bist.
»Wofür?«
Ich kann es einfach nicht, weil ich nach wie vor nicht weiß, ob ich ihr dankbar bin. »Dass du mir den Verbandskasten und das Kühlkissen geholt hast.«
»Gern geschehen.«
Dann geht sie zur Tür raus, und die gottverdammte Stille ist zurück.
Meine Hand muss eine Woche lang verbunden bleiben, und mein Trainer ist stinksauer, weil ich damit nicht richtig spielen kann. Nichts läuft so wie geplant. Ich dachte jetzt, da ich endlich von zu Hause weg bin, verschwindet die Dunkelheit in mir, doch das ist ein Irrtum.
Es ist über eine Woche her, seit Callie diese wunderbaren Worte an den Felsen gesprüht hat. Mir bedeuteten sie mehr, als Callie verstehen kann. Aber vielleicht wusste sie es, und deshalb musste ich mich zurückziehen. Mit solchen Gefühlen komme ich nicht klar.
Am Ende der Woche bin ich richtig fertig, und mein Körper bezahlt dafür. Ich liege im Bett, muss demnächst zum Kurs, als Daisy mir eine sehr merkwürdige SMS schickt.
Daisy: Hey, ich finde, wir sollten uns mit anderen treffen.
Ich: Was? Bist du besoffen?
Daisy: Nein, total nüchtern. Mir ist nur langweilig, und ich habe es satt, dauernd alleine zu sein. Ich brauche mehr.
Ich: Mehr geht nicht, solange ich am College bin.
Daisy: Dann liebst du mich wohl doch nicht so, wie ich dachte.
Ich: Was soll ich denn machen? Das College abbrechen?
Daisy: Ich weiß nicht, was ich will, aber das hier ist es nicht.
Gleichzeitig kommt eine andere SMS, und ich wechsle den Bildschirm.
Luke: Hatte eben eine SMS vom D-Man, und er sagt, dass Daisy dich mit Lenny betrügt.
Ich: Ist das dein Ernst? Lenny?
Luke: Ja, er sagt, da lief was auf Garys Party – Saufen zum Schulanfang oder wie immer der Idiot das nennt.
Ich: Die war, bevor sie mich besucht hat.
Luke: Ja, ich weiß. Tut mir leid, Alter.
Ich: Ja, bis später.
Ich stelle mein Handy aus, ohne Daisy geantwortet zu haben. Eigentlich ärgere ich mich nicht darüber, auch wenn ich es wohl sollte. Mir ist, als müsste ich wütend sein, doch ich fühle mich einfach bloß leer.
Im Rhetorikkurs höre ich mir den Vortrag eines Mädchens über Frauenrechte an. Ich mache mir ein paar Notizen, doch hauptsächlich sehe ich aus dem Fenster. In der Ferne ist das Football-Stadion, und ich wünsche mir, ich dürfte Bahnen laufen, um etwas von dieser ganzen aufgestauten Energie loszuwerden.
Plötzlich sehe ich Callie über den Rasen gehen, ihre Tasche über der Schulter. Sie ist mit ihrem Handy beschäftigt. Ihr Haar ist offen, und sie scheint in Eile zu sein. Sie trägt eine schwarze Yoga-Hose und eine Kapuzenjacke, überquert den Parkplatz und ruft etwas, als Luke auf dem Gehweg erscheint. Er geht humpelnd auf sie zu und guckt sich um, als würde er etwas Verbotenes tun.
Die beiden treffen sich unter einer großen
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