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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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hatte.
    Trendelag war von dieser Seuche, die im Grunde aus zweien bestand, schwer heimgesucht worden. Neben der Pest wirkten alle anderen Krankheiten ziemlich geringfügig; und diesmal war noch eine ansteckende Krankheit aus Dänemark gekommen. Sie wurde bisweilen das »spanische Pfeifen« genannt und war ein Katarrh in Verbindung mit Fieber, Kopfweh und Brustschmerzen. Zur gleichen Zeit jedoch war eine Seuche mit reinem Pestcharakter aus Schweden gekommen. Sie ging mit Geschwüren und Kopfschmerzen einher, verursachte starke Schmerzen in der Seite und führte zum Wahnsinn. Silje kannte die Anzeichen; sie hatte sie allzu oft beobachtet.
    Das kleine Mädchen hatte sie nicht bemerkt. Silje dachte in ihrer Erschöpfung langsam, so viel aber begriff sie:
    Sie hatte allein versuchen müssen, zu Hause in der Hütte die Pest zu überleben. Sie war lange genug zwischen den Toten der Stadt umhergewandert, um sich angesteckt zu haben. Silje hatte keine Angst um sich. Aber das kleine Kind?
    Es hatte kaum Aussichten, die Krankheit zu überstehen. Und wenn es hier allein bei der Mutter bliebe, dann hätte es erst recht keine Überlebenschance.
    Silje kniete sich neben die Kleine, die ihr nun das verweinte Gesicht zuwandte. Sie war ein hübsches kleines Mädchen, robust gebaut, mit dunklen Locken, dunklen Augen und kräftigen, kleinen Händen.
    »Deine Mutter ist tot«, sagte Silje sanft. »Sie kann nicht mehr mit dir sprechen. Du musst jetzt bei mir bleiben.«
    Die Lippen der Kleinen zitterten, vor Schreck aber hörte sie auf zu weinen.
    Silje erhob sich und rüttelte an den Türen, die auf den kleinen Hof hinausgingen. Sie waren alle drei verschlossen. Die Frau gehörte bestimmt nicht hierher. Vielleicht war sie nur zum Sterben hergekommen?
    Auch wenn sie anklopfte, würde niemand öffnen, das wusste sie aus Erfahrung.
    Mit raschen Bewegungen riss sie ein Stück Stoff von ihrem zerlumpten Rocksaum ab und knotete daraus etwas, was entfernt einer Puppe ähnlich sah. Die legte sie in die Hände der Toten, damit sie nicht zur Wiedergängerin werden und ihr Kind verfolgen könnte. Dann sprach sie ein stilles Gebet für die Seele der Unglücklichen.
    »Komm«, sagte sie zu dem Mädchen. »Wir müssen gehen.«
    Das Kind wollte nicht. Es hielt sich am Mantel der Mutter fest, der schön und nicht allzu zerschlissen war. Das Mädchen war ebenfalls gut gekleidet. Nicht verschwenderisch, aber einfach und hübsch. Die Mutter musste einmal eine strahlende Schönheit gewesen sein. Nun starrte sie aus schwarzen Augen blind zum Mond hinauf.
    Dass Silje den Mantel der Toten an sich nehmen könnte, um ihren frierenden Körper zu schützen, kam ihr nicht einmal in den Sinn. Das war für sie aus vielen verschiedenen Gründen undenkbar, hauptsächlich aber war ihr wohl der Gedanke zuwider.
    »Komm«, sagte sie erneut, ziemlich hilflos gegenüber dem schluchzenden Weinen. Vorsichtig machte sie die Hände der Kleinen los und nahm sie auf den Arm. »Wir werden versuchen, für dich etwas zu essen zu finden.«
    Davon, wie sie etwas zu essen finden sollte, hatte sie keine Vorstellung, aber das Wort »essen« hatte magische Wirkung. Das Mädchen resignierte mit einem bebenden, tränenerstickten Seufzer und ließ sich aus dem Hinterhof tragen. Doch der lange Blick, den es noch auf seine Mutter warf, war so voller Trauer und Verzweiflung, dass Silje ihn niemals vergessen würde.
    Das Kind weinte leise, während Silje es das letzte Stück zum Tor und weiter durch die Straßen trug. Die Kleine hatte offenbar so lange geweint, dass sie zu erschöpft war, um Widerstand zu leisten.
    Siljes Problem jedoch hatte sich verdoppelt. Jetzt war sie auch noch für einen anderen Menschen verantwortlich. Für ein Kind, das aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb weniger Tage an der Pest sterben würde... Doch bis dahin musste sie dafür sorgen, dass es nicht verhungerte.
    Sie näherte sich dem Stadttor. Zwischen den Häusern erblickte sie den Lichtschein vom Leichenverbrennungsplatz. In jenen Tagen war es so kalt, dass die Toten nicht begraben werden konnten und deshalb verbrannt werden mussten. Ansonsten gab es ein Massengrab, das... Nein, Silje wollte jetzt nicht an diese schrecklichen Dinge denken.
    Sie entdeckte eine Frau, die an einer Hauswand lehnte und offensichtlich kurz vor dem Zusammenbruch war. Silje ging zögernd auf sie zu.
    »Kann ich dir helfen?«, fragte sie vorsichtig.
    Die Frau wandte sich ihr mit matten Augen zu. Es war eine junge Dame von vornehmer

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