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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Silje ein rasselndes Geräusch wie von einem Holzgegenstand.
    Sie tastete danach. Ihre Hände trafen auf einen hölzernen Handgriff. Es fühlte sich an wie ein Bierkrug mit Deckel.
    Das war nicht so gefährlich. Die Hände suchten weiter.
    Stoff... Wärmer als der hart gefrorene Boden.
    Ein kleines Bündel.
    Als sie es berührte, setzte das zarte Kinderweinen wieder ein. Silje nahm all ihren Mut zusammen und untersuchte vorsichtig das dicke Tuch.
    Warme Haut. Es
war
ein Kind – und es lebte. Kein Geist, nur ein Kind, das ausgesetzt worden war, um einer zu
werden.
    »Ich danke dir«, flüsterte sie dem kleinen Mädchen zu. »Du hast heute Nacht einem Kind das Leben gerettet.«
    Das Mädchen betastete eifrig das Kind in dem Bündel. »Nadda«, sagte es wieder, und Silje brachte es nicht übers Herz, das pestinfizierte Kind fortzuscheuchen.
    Der Krug. Sie schüttelte ihn. Etwas schwappte darin. Silje steckte einen Finger hinein und spürte etwas Nasses, das noch nicht eiskalt war.
    Sie leckte ihren Finger ab.
    Milch! Oh Vater im Himmel, es war Milch!
    Mit einem Mal fuhr sie auf aus dem Rausch, der von ihr Besitz ergriffen hatte, und stellte fest, dass sie den Krug an den Mund gesetzt hatte, um alles in einem Zug auszutrinken.
    Die Kinder. Die durfte sie nicht vergessen!
    Doch nur einen kleinen Schluck?
    Nein, dann könnte sie nicht mehr aufhören.
    Zuerst das Mädchen. Ein Drittel stand ihm zu.
    Sie hörte die großen, glücklichen Schlucke, während das Kind trank. Es war unsagbar schwer, ihr den kleinen Krug abzunehmen, aber sie musste es tun. Das Mädchen reagierte heftig, mit einer Wut, die Silje fast erschreckte.
    »Nadda muss auch was kriegen«, flüsterte sie und beruhigte damit das Mädchen. Zudem tat die Milch anscheinend in dem kleinen Körper ihre Wirkung. Es war nicht sehr viel nötig gewesen, um die arme Kleine zu sättigen.
    Aber der Säugling? Was sollte sie mit ihm machen?
    Das Kind war in mehrere Stoffschichten eingewickelt, die unterste bestand aus einem Tuch, das im Abenddunkel grau schimmerte. Silje nahm den einen Zipfel, drehte ihn zusammen, tunkte ihn in den Krug und steckte ihn in den Mund des Kindes.
    Das kleine Wesen wollte nicht trinken. Silje kannte sich mit Neugeborenen nicht so gut aus, wusste nicht, dass sie oft satt waren und am ersten Lebenstag keine Nahrung brauchten. Sie wusste auch nicht, dass nicht alle Kinder sofort einen Saugreflex hatten. Sie war einfach verzweifelt und hilflos.
    Wie sehr sie sich auch bemühte, das Kind wollte keine Milch zu sich nehmen. Am Ende gab sie auf. Sie mussten weiter, und sie konnte nicht auch noch den Krug tragen, sie hatte schließlich nur zwei Arme. Mit großem Schuldgefühl trank sie selbst den Rest aus. Es schmeckte ihr nicht sonderlich gut, wenn sie daran dachte, dass sie es einem anderen wegnahm.
    Dann richtete sie sich auf, nahm den Säugling auf den Arm und das kleine Mädchen bei der Hand. Sie brach in ein beinahe verzweifeltes Lachen aus. Was um alles in der Welt tat sie da eigentlich? Der Blinde führt den Lahmen, dachte sie. Sie war den Kindern keine große Hilfe, nein!
    Die Milch aber hatte sie gesättigt und gestärkt, sowohl das Mädchen als auch sie. Siljes Angst vor der Dunkelheit war ebenfalls etwas gewichen. Denn nun leuchtete der Feuerschein klar und deutlich zwischen den Stämmen hervor.
    Sie hielt am Waldrand an und schaute auf den widerlichen Platz hinunter. Von dem gewaltigen Feuer stiegen stinkende Rauchschwaden auf. Vor dem Feuer erhoben sich die schwarzen Konturen eines Galgens, und daneben standen die Foltergeräte, die bewiesen, welche Fantasie die Menschen plötzlich entwickelten, wenn man ihnen die Gelegenheit gab, andere zu quälen. Dort sah sie den Pranger. Daneben war ein Feuer entfacht worden, um Schwerter und Zangen zum Glühen zu bringen. Große, unheimliche Haken zum Hängen von Gesetzesbrechern, Foltergerätschaften, die so grotesk und so teuflisch erdacht waren, dass Silje bei ihrem Anblick aufstöhnte.
    Am auffallendsten aber war das Rad, auf dem den Unglücklichen das Rückgrat gebrochen wurde und...
    »Oh nein!«, jammerte sie leise. »Oh nein, nein!«
    Zwischen all diesen grauenvollen Apparaturen bewegten sich dunkle Gestalten. Silje erkannte den Henker mit seiner schwarzen Kapuze, der seine abgeschnittenen Ohren versteckte. Sein Henkersknecht, der meistverachtete Mann in Trondheim, lief geschäftig in seiner Nähe auf und ab – und überall waren Knechte des Landvogts zu sehen. In ihrer Mitte stand ein Mann

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