Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
du einundzwanzig und hast dich schon viele Jahre mit uns herumgeplagt. Dabei weiß ich, daß du für etwas anderes bestimmt bist als für die Arbeit in einem armseligen Heim.«
»Ich hoffe doch, ich habe mich nicht beklagt? Ich weiß, daß ich immer noch eine schlechte Hausfrau und Mutter bin, die Kinder wachsen so unheimlich schnell aus ihren Kleidern und Schuhen heraus. Es tut mir weh, daß ich ihnen nicht neue Sachen beschaffen kann. Und ich bin so erschöpft, weil ich einen solchen Widerwillen gegen die Hausarbeit habe, Tengel. Die Gewißheit, daß ich nicht in der Lage bin, den Kindern neue Kleider zu nähen, obwohl ich die Stoffe dazu weben kann, die plagt mich. Und nach diesem furchtbaren Winter gibt es im Tal ja auch keine Schafe mehr, wir haben also noch nicht einmal Wolle, um etwas daraus zu weben, Sol ist wegen des Mantels gehänselt worden, den ich im letzten Jahr für sie zu nähen versucht habe, und oft vergesse ich, die Kleider der Kinder zu waschen, wenn sie schmutzig sind, und… Nein, jetzt jammere ich, das wollte ich gar nicht!«
Sein zärtliches Lächeln bewies ein grenzenloses Verstehen, aber auch eine verzweifelte Hilflosigkeit. Seine Lippen strichen sanft über ihr Haar.
»Glaubst du, ich verstehe dich nicht? Glaubst du, ich weiß nicht, wie sehr du dich danach sehnst, etwas Schöpferisches zu tun? Malen, vielleicht? Glaubst du, ich weiß nicht, daß du manchmal in dein Tagebuch schreibst, wenn alle anderen zu Bett gegangen sind?« »Davon weißt du?« sagte sie erschrocken.
»Aber ja. Ich weiß auch, wo du dein Buch versteckt hast. Aber es würde mir nicht im Traum einfallen, darin zu lesen. Sei nur vorsichtig, daß niemand sonst etwas davon erfährt. Eine junge Frau, die Bücher schreibt - das ist Teufelszeug! Dafür kannst du durchaus als Hexe verbrannt werden.«
»Wie grausam die Welt ist! Und wie beschützt wir hier drinnen sind«, sagt sie erstaunt, als hätte sie gerade eben eine neue Entdeckung gemacht. Dann fügte sie schnell hinzu: »Aber es hätte mir nichts ausgemacht, wenn du es gelesen hättest. Ich habe eines Nachts darin geblättert, und jede Seite ist voller Liebe für dich und die Kinder.« »Du schreibst gerne?«
»Oh ja! Das ist wie eine Erholungspause für mich. Und als ich durchlas, was ich geschrieben hatte, war ich ganz erstaunt, wie gut es formuliert war.«
»Mich überrascht das nicht. Du redest unsagbar schön, weißt du. Gar nicht wie die anderen im Tal. Jetzt hast du mich richtig neugierig auf das Buch gemacht. Ich würde es gerne sehen.«
Sie kicherte, gut gelaunt und froh. »Es ist sicher alles ganz falsch geschrieben, ich habe ja nie ordentlich schreiben gelernt. Ich schreibe die Worte einfach, wie wir sie sprechen. Nein, Tengel, was machst du denn da?« Seine Hände waren ihre eigenen Wege gegangen. Er lachte leise und drückte sie dichter an die Hauswand. Silje, die von bebender Hoffnung erfüllt war, seit er ihr von seinen Überlegungen erzählt hatte, das Tal zu verlassen, ließ ihn gewähren.
Seine Wange strich über ihre Stirn. Tengel trug keinen Bart. Sie wußte, warum. Ihm war durchaus bewußt, daß er sechzehn Jahre älter war als sie, und er wollte nicht älter aussehen, als er war. Falls er sich einen Bart stehen ließe, meinte er, würde er den Altersunterschied noch mehr hervorheben.
»Wir wollten ja auch nach Benedikt und seinen Leuten sehen«, sagte sie aufmunternd, wo er nun schon einmal den Gedanken ausgesprochen hatte, das Tal zu verlassen. »Ich mache mir Gedanken um sie alle.«
»Sicher«, murmelte Tengel gedankenverloren. »Wenn ich nur wüßte, was richtig ist. Euch mit nach draußen zu nehmen - oder hierzubleiben. Wir können doch nirgends hin, wie du weißt,«
Seine Fingerspitzen ließen ihre Haut zittern und vibrieren, süße Impulse jagten durch ihren Körper und zentrierten sich an einem bestimmten Punkt. Ihr Verlangen nach diesem Mann, der auf andere so erschreckend wirkte, würde nie gestillt sein. Es war nicht nur deswegen, weil er von der Natur so gut bedacht war, was seine Männlichkeit anging, davon hatte sie ja noch nichts gewußt, als sie ihn das erste Mal sah. Sie brauchte ihn nur zu sehen, um die aufreizenden Wellen durch ihren Körper laufen zu fühlen, diese Weichheit, die sie ihm völlig auslieferte.
Sie hatte nun ernstlich Probleme damit, sich zu konzentrieren. »Was ist mit Benedikt? Könnten wir nicht bei ihm wohnen?«
»Ich weiß nicht einmal, ob er noch lebt. Und zu der schrecklichen Abelone können wir
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