Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
dänisches oder schwedisches Blut in den Adern haben, wir haben Norwegen zerstört. Ich will nicht länger dänisch sein, ich schäme mich dafür.«
»Nein, hör zu, Villemo«, sagte er resolut. »Du wurdest systematisch bearbeitet von den Aufrühren.«
»Lass mich los, ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.«
Dominic sah sie mit seinen gelben Augen fest an. »Wir wünschen uns alle ein freies Norwegen, Villemo, auch wir aus der ausländischen Verwandtschaft. Auch dein Großvater Alexander wünscht das, aber das darf nicht mit solchen Mitteln geschehen, nicht mit Hass und unschuldigen Opfern, und vor allen Dingen nicht mit Krieg. Die Zeit kommt noch, auch für Norwegen.«
»Er ist fort«, sagte sie wie so oft vorher.
»Das ist das Beste, was er machen konnte, und nun gehst du mit uns heim. Du bist frei, hörst du, du bist freigesprochen vom Mord an Mons Woller.«
Endlich leuchtete ein kleines Licht in ihren Augen auf. »Eldar auch?«
»Er genau so, ihr handeltet in Selbstverteidigung, sagte der Richter.«
»Ich muss zu ihm.«
»Zu Eldar? Bist du verrückt?«
»Er muss es wissen, wir können beide nach Hause, dann können wir heiraten.«
»Villemo, das kommt niemals in Frage.«
»Aber ich liebe ihn, verstehst du das nicht?«
»Ist es nicht eher eine Starrköpfigkeit von dir?«
»Du bist dumm«, sagte sie naiv, »ich muss wohl wissen, was gut für mich ist.«
Daran zweifelten beide sehr, sie nötigten Villemo wieder auf die Bank, dann gingen beide gemeinsam an die Versorgung der Verwundeten und Hilflosen. Nach einer hektischen halben Stunde, die der Kampf um den Schwerverletzten dauerte, sah Niklas zu Villemo, doch sie saß nicht mehr auf der Bank. Na ja, sie musste oft nach draußen, wegen ihrer Blasenentzündung.
Noch dachten sie, bald kommt sie zurück. Nach einer weiteren halben Stunde suchte Dominic das ganze Haus nach ihr ab. Dann ging er nach draußen und suchte dort, da entdeckte er ihre verwehte Spur, die nach Norden verlief. Aber bald verschwand die Spur durch den heftigen Wind. Die zwei Vettern beeilten sich mit dem letzten Kranken. Dann ritt Dominic nach Norden in der Hoffnung, die Spur wiederzufinden. Niklas blieb zurück, er wachte bei den Verwundeten und Wehrlosen. Die Hilflosen liebten ihn wegen seiner warmen und heilenden Hände, die er auf ihre Verletzungen und eiternden Wunden legte. Der Mann mit den kaputten Händen war sehr überrascht von der Tüchtigkeit des jungen Burschen. Den Bewusstlosen konnte Niklas nicht alleine lassen, denn er schwebte zwischen Leben und Tod. Niklas’ Hände lagen ruhig auf seiner Brust, mit geschlossenen Augen war er mit seinen Gedanken in die Rettung des Mannes versunken. Kristine Zweibrunnen hatten sie nach unten gebracht, sie bekam ordentlich zu essen und musste auch von dem Tee trinken. Sie war noch sehr erschöpft von der jahrelangen Fesselung ans Bett und der verbrachten Zeit in ihrem Kot und Urin. Niklas dachte immer wieder an Villemo, das unmögliche Mädchen, die die Kraft gefunden hatte, die vielen Sorgen und erschreckenden Erlebnisse zu ertragen, viel Energie und Kraft steckte in ihr.
Villemo hatte ihn entdeckt. Er hatte keine Möglichkeit gefunden, sich mit der Heugabel zu wehren. Vier Kugeln hatten ihn getroffen. Er lag schwer verwundet auf einem kleinen Hügel und konnte kaum Luft holen. So fand ihn Villemo, sie versuchte seine Blutungen zu stoppen, doch an Verbandzeug hatte sie nicht gedacht, sie hatte auch sonst nichts, um ihn zu verbinden.
»Es ist wahr, was du gesagt hast, es gibt eine andere Form der Liebe«, flüsterte er gequält.
»Selbstverständlich gibt es die«, sagte sie mit fester Stimme. »Eldar, wir sind frei, keine Anklage wegen Mordes an Mons Woller und seinem Kumpan.«
Er sah fragend zu ihr auf.
»Meine Vettern sind gekommen, sie nehmen uns mit, heim nach Grastensholm, und alles wird wieder gut.«
Er sah sie stumpfsinnig an, so, als habe er nichts verstanden. »Ich liebe dich wirklich, Villemo, ich habe es noch nie so ernst gemeint.«
»Das weiß ich, mein Freund.«
»Deine Verwandten - ist da auch der Schwede bei?«
»Ja, es sind Dominic und Niklas.«
Seine kraftlose Hand ergriff ihren Arm.
»Du bist mein, Villemo, ich will nicht, dass…«, er musste husten, ein Schwall Blut ergoss sich aus seinem Mund. Da wusste sie, wie schwer er verwundet war. »Villemo, vielleicht ster…«
»Nein, Eldar, du stirbst nicht, das weiß ich, ich werde es dir verbieten.«
»Bitte bleib bei mir«, sagte er unter Atemnot,
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