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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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einen Tag zuvor zu ihrer Freundin gesagt. »Behandelt die Patienten wie Laborratten und das Pflegepersonal wie Dienstboten. Er hat einfach kein Benehmen. Die jüngeren Kollegen nennen ihn ›Rüpel Ed‹.«

    Dawn drehte sich wieder zu Professor Kneebone um. »Was soll ich denn tun«, fragte sie, »wenn der Krebs nicht behandelbar ist?«
    »Nun ja, keine Ahnung.« Professor Kneebone kratzte sich am Hinterkopf. »Wir haben sie überhaupt nur aufgenommen, um ihren Dekubitus zu behandeln. Wenn Sie so wollen, ist der Krebs nicht das vorrangige Problem. Sobald die Wunde verheilt ist, kann sie zurück ins Altersheim.«
    »Aber in dem Zustand dürfen wir sie nicht wegschicken. Sehen Sie sich nur an, wie sie leidet.«
    »Ja, Schwester, aber ich weiß wirklich nicht, was wir noch für sie tun könnten. Im Altersheim bekommt sie Morphium, genauso wie hier. Es gibt keinen Grund, ein Krankenhausbett zu blockieren, das einem anderen Patienten mehr nützen würde.«
    Professor Kneebone trat einen Schritt zurück, sein Blick wanderte zur Tür. Dawn wusste genau, woran er jetzt dachte. Aus diesem Grund war Geoffrey Kneebone sicherlich nicht Arzt geworden. Er mied Gespräche wie dieses. Er war ein ausgezeichneter Chirurg, aber am allerliebsten schnippelte er in einem sauberen, sterilen OP vor sich hin, während der Patient bewusstlos auf dem Tisch lag und im Hintergrund das Radio lief. Sich mit widerspenstigen, hellwachen Menschen auseinanderzusetzen bereitete ihm Schwierigkeiten. Meistens überließ er Dawn diesen Teil seiner Arbeit, und so kam es, dass die beiden normalerweise ein gutes Team bildeten. Aber da stand sie nun und verstieß gegen ihr stillschweigendes Abkommen; sie verlangte von ihm, sich um ein Problem zu kümmern, das in ihren Verantwortungsbereich fiel. Er verließ die Station, so schnell er konnte, gefolgt von einem Pulk weiß gekleideter Ärzte und Studenten. Dawn trommelte mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. Natürlich wusste sie, dass jedes Bett gebraucht wurde. Und
dennoch – sobald eine Patientin darin lag, waren sie verpflichtet, sie anständig zu behandeln. Sie hatte Mrs. Walker versprochen, ihr zu helfen. Sie musste irgendetwas tun.
    Sie nahm sich Mrs. Walkers Krankenakte vor und machte sich daran, die Details zu studieren. Seit einigen Jahren schon lebte Mrs. Walker in einem Pflegeheim namens The Beeches. Dawn kannte den Namen. Sie hatte Dora mit ihren Freundinnen oft darüber reden hören.
    »Ethel Hickey war nach ihrer OP dort«, hatte eine der alten Damen gesagt. »Anscheinend wechseln die Mitarbeiter dort wöchentlich. Sie hat die falschen Tabletten bekommen, und als sie sich beschwerte, sagte man ihr, sie sei nicht mehr ganz richtig im Kopf.«
    »Der Mann von Janice Whitfield – du weißt doch, der, der in der Armee war? Er war nach dem Schlaganfall dort. Er musste zur Toilette, aber niemand hatte Zeit, ihn zu begleiten; und als ihm ein Missgeschick passierte, musste er fünf Stunden darin sitzen bleiben.«
    »Das Problem ist doch«, hatte Dora gesagt, »dass sie ihre Mitarbeiter nicht ordentlich bezahlen. So ein junger Mensch kann sich sicher etwas Schöneres vorstellen, als uns alten Leuten den Hintern abzuwischen, oder?«
    »Ja. Sicher.«
    Alle hatten genickt, ihre Teetassen auf den Knien balanciert und nebeneinander auf Doras Sofa mit dem beigegoldenen Bezug gehockt wie dünne braune Vögel.
    Dawn kniff die Lippen zusammen. Nein, auf keinen Fall durften sie Mrs. Walker dorthin zurückschicken. Wie es aussah, hatte sie in The Beeches nur halb so viel Morphium erhalten wie hier; dort hatte wohl niemand gemerkt, dass sie Schmerzen litt. Vielleicht ließ sich ein besseres Pflegeheim finden? Allerdings brauchte es dazu das Einverständnis der Familie. Seit Mrs. Walker auf der Station war, hatte sie kein
einziges Mal Besuch bekommen, und auch aus den Unterlagen von The Beeches ging hervor, dass die Familie sich nicht um sie kümmerte. Trotzdem, es war einen Versuch wert.
    Dawn erfuhr, dass Mrs. Walkers nächste Verwandte ihre Nichte war, eine Mrs. Heather Warmington aus Kent. Dawn rief die angegebene Telefonnummer an. Eine Frau antwortete.
    »Mrs. Warmington?«
    »Ja?«
    »Hier spricht Schwester Dawn Torridge vom Krankenhaus St. Iberius. Es geht um ihre Tante, Ivy Walker …«
    »Ist sie gestorben?«
    »Nun ja … nein.« Dawn war sprachlos. »Aber sie leidet große Schmerzen.«
    »Ach, du liebe Güte. Was soll ich da machen? Sie sind doch die Krankenschwester, oder?«
    In sanftem Ton

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