Die Satanischen Verse
seiner Leiche absuchten, sich nach Kräften, jedoch vergeblich bemüht hatten, begann man, in der ganzen Stadt Totenklagen im Gedenken an den erloschenen Star anzustimmen. Auf einer der sieben ausgestorbenen Bühnen der Rama-Studios entbot ihm Miss Pimple Billimoria, die neuentdeckte, extrascharfe Sexbombe - sie ist keine dumme, geschwätzige Mamsell, sondern ‘ne flotte Puppe mit ‘nem irren Fahrgestell -, in das verschleierte Nichts einer Tempeltänzerin gehüllt und unter sich windenden Pappfiguren kopulierender Tantra-Gestalten aus der Chandela-Zeit postiert - in de r Erkenntnis, dass ihr großer Au ftritt nicht sein sollte, dass ihr Durchbruch zu Bruch gegangen war -, einen boshaften Abschiedsgruß vor einem Publikum aus Tontechnikern und Elektrikern, die zynische Bidis rauchten.
Begleitet von einer stumm bekümmerten Ayah, die ihr stets zur Seite stand, versuchte Pimple es mit Verachtung. »Gott, was für ein Glück, dem Himmel sei Dank«, rief sie. »Heute wäre nämlich die Liebesszene dran gewesen, tsch, tsch, ich bin fast gestorben bei dem Gedanken, mich diesem Fettsack mit seinem nach faulem Kakerlakendreck stinkenden Atem nähern zu müssen.« Glöckchenschwere Knöchel klingelten bei jedem Aufstampfen. »Verdammt gut für ihn, dass Filme nicht riechen, sonst würde er nicht mal die Rolle eines Aussätzigen kriegen.«
An dieser Stelle gipfelte Pimples Monolog in einem derartigen Schwall von Obszönitäten, dass die Bidi-Raucher sich erstmals aufrichteten und lebhaft begannen, Pimples Vokabular mit dem der berüchtigten Bandenführerin Phoolan Devi zu vergleichen, deren Flüche im Handumdrehen Gewehrläufe zum Schmelzen bringen und die Kugelschreiber der Journalisten in Gummi verwandeln konnten.
Abgang Pimple, weinend, ein Opfer der Zensur, unbrauchbares Material auf dem Boden eines Schneideraums.
Bergkristalle fielen aus ihrem Nabel, als sie ging, Spiegel ihrer Tränen… was Farishtas Mundgeruch betraf, hatte sie allerdings nicht ganz unrecht; im Gegenteil, sie hatte untertrieben. Gibrils Exhalationen, diese ockerfarbenen Schwefelwolken, hatten ihm immer schon - zusammen mit seinem in der Mitte der Stirn spitz zulaufenden Haaransatz und seinem rabenschwarzen Haar— eher düstere, denn heilig leuchtende Züge verliehen, trotzdem er den Namen des Erzengels trug. Nach seinem Verschwinden war man der Ansicht gewesen, dass er leicht zu finden sein müsse - man brauche nur eine halbwegs gute Nase… und eine Woche nachdem er sich abgesetzt hatte, trug ein tragischerer Abgang als der von Pimple Billimoria einiges dazu bei, den teuflischen Gestank zu intensivieren, der sich an den Namen zu heften begann, welcher so lange lieblich geduftet hatte. Man könnte sagen, dass er von der Leinwand herab-und in die Welt hineingeschritten war, und im Leben, anders als im Film, merken die Leute, wenn man stinkt.
Wir sind Geschöpfe der Luft, Wir wurzeln in Träumen und Wolken, werden wiedergeboren im Flug. Lebt wohl. Die rätselhaften Zeilen, die von der Polizei in Gibril Farishtas Penthouse gefunden wurden, im obersten Stockwerk des Everest-Vilas-Wolkenkratzers auf dem Malabar Hill, der höchstgelegenen Wohnung im höchsten Gebäude auf dem höchstgelegenen Gelände der Stadt, einem dieser Apartments mit Blick nach zwei Seiten, auf der einen über die abendliche Halskette des Marine Drive und auf der anderen über Scandal Point und das Meer, gestatteten den Zeitungen, ihre Schlagzeilen-Kakophonie fortzusetzen.
FARISHTA UNTERGETAUCHT, vermutete Blitz etwas makaber, während Busy -bee vom Daily GIBRIL VERDUFTET den Vorzug gab. Viele Fotos dieser legendären Residenz wurden veröffentlicht, für die französische Innenarchitekten, die Empfehlungsschreiben von Reza Pahlevi für ihre Arbeiten in Persepolis vorweisen konnten, eine Million Dollar ausgegeben hatten, um in dieser luftigen Höhe die Wirkung eines Beduinenzeltes zu erzielen. Eine weitere Illusion, die durch seine Abwesenheit zers tört wurde; GIBRIL BRICHT SEINE ZELTE AB, gellten die Schlagzeilen, aber war er nach oben, nach unten oder zur Seite verschwunden? Niemand wusste es.
In dieser Metropole des Geredes und Geflüsters hörten nicht einmal die schärfsten Ohre n etwas Verlässliches . Aber Mrs. Rekha Merchant, die alle Zeitungen las, sich alle Radiomeldungen anhörte und wie gebannt vor den Doordarshan-Fernsehsendungen saß, las aus Farishtas Nachricht etwas heraus, hörte einen Ton, der allen anderen entging, und nahm ihre zwei Töchter und ihren
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