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Die Sau und der Mörder

Die Sau und der Mörder

Titel: Die Sau und der Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Springenberg/Michael Bresser
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hat
Hegel gesagt ?« , blickte er mich ungläubig an.
    »Phänomenologie
des Geistes, Seite hundertsiebzehn, zehnte Zeile, Reclamausgabe«, log ich das
Blaue vom Himmel herunter. »Kennen Sie das Werk etwa nicht ?«
    »Doch,
natürlich, ich erinnere mich wieder. Ich heiße Sie herzlich willkommen zum
heutigen Zirkel .«
    Gemeinsam
durchschritten wir den Flur und gelangten ins Wohnzimmer, in dem sich bereits
Vaganz, Spoden, Bruhns und zwei weitere Männer um den Couchtisch gruppiert
hatten. Sie stopften Knabberzeug in sich hinein, als ob morgen die Chips-Prohibition
ausgerufen werden würde.
    Frank Spoden
konnte wieder einiges an Boden gutmachen. Zum einen hatte er die lüsterne
Schrapnelle zu Hause gelassen, wo sie sich vermutlich mit den Hunden vergnügte,
zum anderen war er in Jeans und Hemd gewandet und hatte den Zopf unter einer
Baskenmütze verborgen.
    Als Xtra mich
erblickte, sprang er wie von der Tarantel gestochen auf und schüttelte mir
überschwänglich die Hand: »Herr Nannen. Welche Freude, Sie hier zu haben.
Welcher Grund hat Ihre Schritte zu unserer im Weltgeschehen so unbedeutenden
Sitzung gelenkt ?« , tat er so, als ob wir uns nicht
bereits im Flur begrüßt hätten.
    »Ich möchte
Ihre Kollegen kennenlernen. Vielleicht kann ich den einen oder anderen Hinweis
aufschnappen«, nahm ich mir erneut vor, mich nicht durch sein Kauderwelsch aus
der Fassung bringen zu lassen.
    »Eine gute
Idee, eine vortreffliche Idee. Leider sind wir heute nur zu sechst, da Gustl
Stremberg von einem tückischen Virus befallen ist. Wissen Sie was? Ich werde
Sie jetzt unverzüglich einführen, und dann integrieren Sie sich ganz
unauffällig in die Lesung. Gleich werde ich das neueste Produkt meiner
poetischen Eingebung preisgeben und bin überzeugt, dass Sie in dieser Nacht vor
Ergriffenheit nicht werden schlafen können .«
    »Hmh, hmh«,
blieb ich geheimnisvoll.
    Xtra stellte
alle Anwesenden vor: Frank Spoden, Gisbert Bruhns, Augustus Strass, Heiner Hein
und Peter Cellert. Ich pflanzte mich neben Hein, einen älteren Herrn, der
genauso bourgeois gekleidet war wie ich. Dann schnappte ich mir ein Bier und
lauschte Bruhns, der das Wort ergriffen hatte.
    »Hiermit
eröffne ich die heutige Sitzung der Dülmener Serapionsbrüder. Vorgetragen und
diskutiert werden Werke der Herren Strass, Bruhns und Vaginowski .«
    »Wer ist
Vaginowski ?« , wandte ich mich leise an Hein, gar nicht
so leicht, wenn man kurz vorm Losprusten stand.
    »Xtra Vaganz
heißt mit bürgerlichem Namen Anton Vaginowski«, grinste er mich fett an. »Durch
ein klangvolles Pseudonym will er sein sinnentleertes Geschreibsel aufwerten,
wobei der Nachname tatsächlich eine Strafe ist. Bruhns nennt ihn immer
Vaginowski, weil er ihn damit bis zur Weißglut reizen kann. Sind nicht gerade
die besten Freunde, müssen Sie wissen .«
    Strass, der
bereits aufgestanden war, hatte mitbekommen, dass wir ihm nicht unsere ungeteilte
Aufmerksamkeit zukommen ließen, und blickte mich strafend an: »Sie dürfen es
als große Ehre betrachten, unserer Lesung beizuwohnen. Da können Sie zumindest
zuhören«, hob er tadelnd seinen Zeigefinger. Ich beteuerte, mir der Ehre
bewusst zu sein, und bat um Absolution, die mir mit einem gnädigen Nicken
erteilt wurde.
    »Wie ich
schon vor Herrn Nannens Störung sagte, habe ich diesen Text in der letzten
Woche verfasst. Er lautet Großer Ast :
     
    Ein abgesoffener Ford wurde auf die
Hebebühne gestemmt.
    Irgendeiner hatte ihm einen
dunkelhellbraunen Ast
    in den Auspuff geklemmt.
    Als ich vom Getriebe aus
    unter der Karosserie
    mit einer langen Zange
    Antriebswelle und Kolben
herausschraubte,
    muss ich ihn angestoßen haben, denn er
glitt
    in den nebenliegenden Motor.
    Ich packte ihn dem Wagen unter die
Scheibenwischer
    zwischen das Gummi,
    als ich dieses erneuerte.
    Bleibe fest stecken vor der Scheibe!
    Ruhe sanft,
    großer Ast.«
     
    Ich nahm
einen großen Schluck Bier, um das Zucken meiner Mundwinkel zu verbergen.
    Vaganz ließ
sich als Erster zu einem Kommentar herab: »Augustus, mein Bruder. Sie haben
sich wieder selbst übertroffen. Formal brillant: Eine gekonnte Umgehung von
Metrum und Reim. Aber müssen Sie immer dermaßen hässliche Themen abhandeln? Die
Reparatur eines Automobils ist wahrhaftig kein angemessener Gegenstand
lyrischer Betrachtung .«
    »Sie
Ignorant! Aber Sie sind entschuldigt: Anders als bei Ihren Feld-, Wald- und
Wiesengedichten erschließt sich die Intention meiner Werke so einfach
strukturierten Menschen nicht ohne

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