Die Sau und der Mörder
oberflächlichen Durchblättern stieß ich auf den
Titel des Romans, den ich gestern in der Buchhandlung erworben hatte. Auf dem
Fußboden lag freundlicherweise eine leere Ikea-Papiertüte, so dass ich den
Packen vernünftig verstauen konnte; Lektüre für die langen Winterabende.
Schon wieder
besserer Laune kontrollierte ich noch die Küche, obwohl ich mir nichts davon
versprach. Die Schränke enthielten das, was ein vernünftiger Singlehaushalt mit
gelegentlichem Damenbesuch benötigt — nicht mehr und nicht weniger. Neben dem
Fenster, das dringend geputzt werden musste, war mehr schlecht als recht eine
Pinnwand befestigt worden. Daran hingen ein Beleg, eine Notiz und eine
maschinengeschriebene Liste.
Der Beleg war
von der Reinigung »Frisch & Adrett«, die Notiz sollte Grutz erinnern,
einen Tisch für das Abendessen mit Cornelia zu reservieren. Hatte sich
erledigt. Den Reinigungswisch steckte ich in die Tüte; man konnte nie wissen,
wozu etwas gut war.
Auf der Liste
waren sämtliche Serapionsbrüdertreffen der nächsten Monate festgehalten. Schau
an, gleich um fünf stand die nächste Zusammenkunft an. Eine bessere Gelegenheit
gab es wohl kaum, die komplette Sippe auf einen Schlag zu erwischen. Gisbert
Bruhns war der Gastgeber. In Anbetracht des anonymen Anrufs konnte es nicht
schaden, zeitig dort aufzulaufen. Die Liste übergab ich ebenfalls dem
schwedischen Möbelriesen. Mit einem Drittel des brasilianischen Regenwalds in
der Hand verließ ich den Ort des Verbrechens.
6
Z wölf Stunden später als drei Uhr
morgens parkte mein Golf vor dem Geranienweg 3 in Appelhülsen. Gisberts
Mietshaus ähnelte dem Grutz’schen, nur unrenoviert. In Anbetracht der Gebäudesubstanz
war es jedoch eher ein Fall für eine Restaurierung. Bruhns’ Klingelschild war
das oberste, also Dachgeschoss, ohne Fahrstuhl. Nun gut, ein kleiner Workout
konnte nicht schaden.
Als ich die
oberste Etage erreichte, schallte mir dezente Musik mit hundert Dezibel
entgegen, mindestens. Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen: Pur mit Abenteuerland, das war doch mal was.
Schnell das
Türschild kontrolliert, ich war richtig. Nachdem ich mit Hilfe einer Luftschutzsirene
auf mich aufmerksam gemacht hatte, wurde prompt geöffnet.
Mir gegenüber
stand ein rund vierzigjähriger Mann in feinstem Zwirn: rosa Hemd, gestreifte
Krawatte und dunkelblauer Nadelstreifenanzug. Alles okay so weit, mochte man
denken, aber weit gefehlt, denn das Haupt krönte ein imposanter Iro in
leuchtendem Grün, der fast die Zimmerdecke kitzelte. Das war das Schöne am
Schnüfflerbusiness: Man traf Leute, die gab es gar nicht, oder ist jemandem
schon mal eine Mischung aus Jupp Ackermann und Wattie von Exploited über den
Weg gelaufen?
»Wo sind all
die Indianer hin ?« , versuchte ich die Lautstärke zu
übertönen.
Bruhns
drückte auf die Fernbedienung in seiner Linken und zwinkerte mir zu: »Fette
Scheiße, einer mit Checke. Trotzdem sollte ich erst mal fragen, was du hier zu
suchen hast, oder ?«
»Eine
legitime Frage«, ließ ich den Blick durch den Flur schweifen. Live-Pics von
Hartmut Engler, Herbert und Marius in bestechender Qualität hingen einträchtig
neben teuer wirkenden Lithographien von Hornby, Boyle und Palahniuk. Jedes
einzelne Kunstwerk wurde durch einen separaten Spot angestrahlt. Summa summarum
sechzehn Deckenstrahler auf fünf Quadratmetern. Bruhns musste definitiv sowohl
Besitzer der Platincard beim Appelhülsener Baumarkt als auch im Vorstand des
örtlichen Stromversorgers sein.
»Dieter
Nannen mein Name. Xtra Vaganz hat mich mit der Untersuchung von Hermann Grutz’
Ableben beauftragt .« Sah so ein Mörder aus, schoss mir
der anonyme Anruf durch den Kopf, während Gisbert am Ring in seiner Unterlippe
herumfummelte.
»So, so, du
bist dieser Privatschnüffler«, hatten wir bereits ein inniges Verhältnis
entwickelt. Vielleicht war mein Siez-Verständnis aber auch nur antiquiert.
»Wo wir so
nett beim Duzen sind«, nahm ich den Faden auf, »hast du ein paar Minuten Zeit
für mich, oder musst du noch irgendwas vorbereiten ?«
»Oh, du
weißt, dass gleich ein Serapionsbrüdertreffen stattfindet ?« ,
zeigte er sich leicht überrascht.
»Privatdetektiv,
schon vergessen ?« , machte ich einen auf dicke Hose.
»Komm mit.
Kaffee, Bier, Wasser, was willste haben ?«
»Ein Pilleck
wäre nicht verkehrt«, trottete ich ihm hinterher. Wir gelangten ins, nennen wir
es mal Wohnzimmer. Linker Hand eine Regalwand, vollgestopft mit
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