Die Sau und der Mörder
Schlafanzug, Bademantel, Jeans und
T-Shirt vorbeibrachte. Der anschließende Flirt unterschritt die
Fünf-Minuten-Marke, da sie ihren Vater aus der Bücherei abholen musste.
Meine
anfängliche Euphorie über die Einweisung war mittlerweile verflogen. Als
Patient war mein Aktionsradius doch sehr eingeschränkt. Eigentlich blieb zum
Herumschnüffeln nur die Nacht übrig, wenn die Personaldecke dünner war und kaum
Gefahr bestand, dass sich andere Mitbewohner außerhalb ihrer Zimmer befanden.
Um die
bevorstehende Aufgabe ausgeruht angehen zu können, versuchte ich ein wenig zu
schlafen. Kein Problem, da sich die Zimmergenossen in den Fernsehraum verzogen
hatten.
Gegen acht
wurde ich unsanft von der Gutenachtspritze geweckt. Lück und Muschinski
bildeten sich mit Groschenheftchen fort, Thorsten daddelte auf einem Gameboy
herum. Als gegen neun das Licht gelöscht wurde, lauschten wir andächtig unseren
Atemstößen, bevor ich erneut ins Land der Träume abglitt.
Um Mitternacht
ließ ich mich vom Handy via Vibration wecken und kleidete mich lautlos an.
Wie erwartet
war der Korridor so verlassen wie eine Würstchenbude im Vegetariercamp. Im Bett
hatte ich im Geiste eine Münze geworfen, ob ich nach rechts (Zahl) oder links
(Kopf) gehen sollte. Zahl hatte oben gelegen. Nach wenigen Schritten wurde
schräg vor mir eine Tür aufgerissen. Ich hechtete hinter eines der Rollbetten,
die in Massen herumstanden.
Durch die
Gitterstäbe des Fußendes konnte ich einen weißen Kittel erspähen, der ins
Badezimmer verschwand.
Meine große
Chance. Aus einem Wandschrank klaubte ich ein Paket Mull und umwickelte meinen
Kopf, Augen exklusive. Dann schnappte ich zwei weitere Pakete Verbandszeug und
eine Rolle Klebeband und folgte dem Arzt.
Die aus der Kabine
dringenden Geräusche ließen auf ein großes Geschäft schließen. Flugs in die
Nachbarbox geschlüpft und einen Striptease hingelegt; die Unterhose blieb
selbstverständlich am Mann.
Als die
Spülung einsetzte und die Tür geöffnet wurde, sprang ich hervor und versetzte
dem feinen Herrn einen Schlag vor den Hals. Dieser blickte mich den Bruchteil
einer Sekunde erstaunt an, dann sackte er zusammen. Geschickt fing ich den
erschlafften Körper auf, zog ihn in meine Kabine und verschloss die Tür.
Schneller als
die Morgentoilette einer Eintagsfliege tauschte ich unser Outfit.
Nachdem ich
den Arzt gefesselt und geknebelt hatte, kletterte ich in die Nachbarkabine und
gelangte von dort ins Freie. Im Spiegel kontrollierte ich mein Äußeres und
huschte auf den Gang. Das Namensschild an meiner Brust wies mich als Dr.
Leonhardt aus.
Ich hatte mir
eine Erkundungsfrist von zwei Stunden gesetzt. Sollte reichen, denn schließlich
brauchte ich in diesem kleinen Etablissement nur die Stelle zu finden, wo
Hermanns Mörder sein Geständnis hinterlegt hatte.
Drei Türen
später erreichte ich das Ärztezimmer der Station C. Der Leiter war Dr.
Grunwald, also genau derjenige, der mich gestern in der Notaufnahme untersucht
hatte; ich war sein Assi. Mit der natürlichen Arroganz eines Gottes in Weiß
verzichtete ich aufs Anklopfen und betrat energischen Schrittes den Raum.
Ich war
allein. Das einzig Lebendige hier war der Dampf, der von einer Kaffeetasse in
Richtung Decke zog. Da die Brühe bis zur Rückkehr des echten Leonhardts eh kalt
sein würde, genehmigte ich mir einen Schluck, dann machte ich mich an die
Arbeit.
Direkt vor
mir befand sich ein überdimensionaler Aktenschrank, der abgeschlossen war;
nicht weiter tragisch, da der zugehörige Schlüssel auf dem Schreibtisch lag.
Kaum hatte ich die erste Schublade herausgezogen, vernahm ich Schritte auf dem
Gang. Zeitgleich schrillte das Telefon. Mit der mir angeborenen Spritzigkeit
hechtete ich ins winzige Nachbarzimmer, das mit einer abgewetzten Sitzgruppe,
leeren Tassen und überquellenden Aschenbechern erschöpfend ausgestattet war.
»Elisabeth-Krankenhaus,
Dr. Müller am Apparat.« Ich lag hinter einem versifften Sessel und war ganz
Ohr.
»...«
»Habe wieder
ein paar Kisten für euch. Aber Beeilung, in einer Stunde werde ich abgelöst .«
»...
«
»Okay, bis
dann.«
Der Hörer
wurde auf die Gabel geworfen, und Müllers Schritte entfernten sich. Ich
schlüpfte aus dem muffigen Raum und spähte auf den Gang, der Doc bog gerade um
die Ecke. Über das Treppenhaus gelangten wir in den Keller. Falls er mich
bemerkt haben sollte, ließ er sich nichts anmerken. Unsere Rallye endete in
einem Lagerraum, in dem sich Unmengen an Kisten
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