Die Sau und der Mörder
Geschenkpapier.
»Ein Bildband
über Rot Weiß Essen. So ein schönes Geschenk habe ich seit Jahren nicht mehr
bekommen«, war ich richtig gerührt und zugleich überrascht, dass Karin über
meinen Lieblingsfußballverein Bescheid wusste.
Dafür gab es
den zweiten Kuss. Diesmal verfehlte ich jedoch die Wange und traf genau ihren
Mund. Irgendwie hatten wir eine seltsame Beziehung. Wir kannten uns seit meiner
Ankunft in Buldern und fanden uns nicht unsympathisch. Genau genommen hatte ich
ein absolutes Faible für die Biobäuerin, und ihre Eifersucht in Bezug auf
Connie Lienen hatte gezeigt, dass auch ich ihr alles andere als gleichgültig
war. Allerdings hatte das Schicksal uns stets einen Strich durch die Rechnung
gemacht. Jedes Mal, wenn wir uns annäherten, passierte ein Missgeschick, das
alles wieder über den Haufen warf. Ich war schon richtig gespannt.
»Ich sehe, du
hast dich gut erholt«, drang eine andere weibliche Stimme an mein Ohr. Wusste
ich’s doch.
»Hallo,
Cornelia. Die Medikamente, die ich mir verschrieben habe, wirken Wunder«,
deutete ich auf die Camel-Schachtel und den leeren Becher. »Bald kann ich den
Krankenhausmief wieder gegen frische Landluft eintauschen .«
»Ich scheine
überflüssig zu sein«, schabte Schumanns Kinnlade übers Linoleum.
»Nein,
bleiben Sie bitte. Ich bin Cornelia Lienen, Dieters Krankenschwester .«
»Karin
Schumann, zuständig für die Bewirtschaftung seines Hofes.« Sie blickte auf die
Uhr. »Oh, so spät schon. Ich muss los, die Tiere versorgen. Auf Wiedersehen.«
Bevor ich
intervenieren konnte, hatte Karin den Aufenthaltsraum verlassen. Als Trost
gab’s erst mal einen dicken Kuss. Wenn das so weiterging, würde mich niemand
mehr hier wegkriegen, und wenn ich mein Leben lang deklinieren musste.
»Erhalten
alle Patienten diese Art von Behandlung ?« , hatte ich
mich mit der neuen Situation glänzend arrangiert.
»Maximal die
Hälfte. Bist du weitergekommen ?«
»Ja.«
»Jetzt mal
Butter bei die Fische, oder vertraust du mir nicht ?« ,
hatte Lienen offensichtlich eine ausführlichere Antwort erwartet.
»Mit
mangelndem Vertrauen hat das nichts zu tun. Ich muss das Ganze nur erst auf die
Reihe bringen .«
»Wie du
willst. Gibt’s wenigstens einen Abschiedsschmatzer, außerhalb der Reihe ?«
Diese Bitte
konnte ich nicht abschlagen. Während wir die Mund-zu-Mund-Beatmung probten,
fiel mir etwas ein: »Könntest du bei Gerhard Schulz in Dülmen anrufen und ihm
mitteilen, dass ich zurzeit keine Sozialstunden ableisten kann ?«
»Wie bitte?«
»Ich bin der
gefürchtete Bulderner Hundekiller«, erläuterte ich in schillernden Farben mein
Alter Ego und die tragischen Konsequenzen.
»Wird
erledigt«, zockelte sie ab, und ich konnte endlich wieder die Füße auf den
Tisch legen. Nach einem weiteren Kaffee musste ich feststellen, dass sich
Frauenbesuche negativ auf die Gehirnleistung auswirkten; ich war zu keinem
vernünftigen Gedanken fähig.
Eines war
jedoch klar: Hier hielt mich nichts mehr. Ich hatte mit Müller einen veritablen
Verdächtigen, und obendrein war nicht ausgeschlossen, dass Leonhardt mich trotz
aller Vorsicht erkannt hatte.
Ich puhlte
weitere fünfzig Cent aus dem Portemonnaie und fütterte den Automaten. Kaum
hatte ich mich wieder in der Wellness-Ecke niedergelassen, flog die Tür auf.
Mein Bulderner Kumpel Stefan Jahnknecht. Der lebende Beweis für die Existenz
von Menschen mit negativem IQ blickte mich mit treuen Augen an. Stefan war mein
erster Kontakt mit den Einheimischen gewesen, als ich aus dem kochenden
Ruhrpott ins kühle Münsterland gezogen war. Auch wenn er nicht fehlerfrei bis
fünf zählen konnte, war mir der Dreißigjährige ans Herz gewachsen.
»Karin hat
mich gesagt, du sein in Krankenhaus«, hielt mir Bauer Steinmanns Knecht seine
riesige Pranke hin, die ich gerne ergriff.
»Danke,
Stefan, aber mir geht’s schon wieder besser. Wahrscheinlich werde ich morgen
auschecken .«
Ich
spendierte ihm einen heißen Kakao und erhielt das nächste Geschenk. Als ich das
Diddl-Papier entfernt hatte, war ich noch gerührter als über Karins
RWE-Bildband: ein Kaninchen, ein Schwein und eine Ziege von Schleich!
»Danke, mein
Freund«, umarmte ich den Zwei-Meter-Kerl mit dem falsch geknöpften Hemd und der
löchrigen Cordhose.
»Ich gedenkt
haben, du sein traurig ohne dein Vieh, und haben drei Tiere von meinen
Bauernhof eingepackt für dich als Geschenk«, ließ er unsichtbare Tränen meine
Wange herunterlaufen. Denn mir war bewusst,
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