Die Sau und der Mörder
?«
»Du alter
Charmeur. Wüsste ich nicht, dass du ein Schablonenschwätzer bist, würde...«
»Jedes
einzelne Wort war ernst gemeint«, ließ ich ihr keine Chance auf
Diskreditierung.
»Meinst du
wirklich, dass mir die neue Frisur steht ?«
»Aber
absolut. Wer sich bei diesem Anblick nicht sofort in dich verliebt, ist
entweder blind oder schwul .«
»Wie
poetisch. Dein neuer Fall hat Spuren hinterlassen .«
»Geht das
wieder los? Ich tue alles für einen harmonischen Abend, und du fängst wieder
mit der Stichelei an .«
»Also war es
doch gelogen, dass meine neue Frisur gut aussieht .«
»Genau. Ich
wollte die Stimmung nicht durch Ehrlichkeit vermiesen .«
Abrupt drehte
Karin sich um und stöckelte zur Tür. Als ihre Hand die Klinke umklammerte, war
ich bei ihr, legte meine fünf Finger auf ihre, gab ihr einen Kuss auf die Wange
und flüsterte: »Was ich gesagt habe, meine ich Wort für Wort, du siehst einfach
phantastisch aus .«
Sie drehte
sich um, unsere Gesichter waren nur Millimeter voneinander entfernt. Ich
glaubte, eine kleine Träne unter ihrem rechten Auge zu erkennen, und wischte
sie weg.
»Warum stehen
wir hier wie zwei Blödmänner rum und halten die Türklinke fest«, winkte ich
Karin zurück zum Kamin, »anstatt uns endlich den schönen Künsten zu widmen ?«
Ich
manövrierte die Biobäuerin zur Couch und stellte einen Topf mit Glühwein auf
den Ofen.
»Ach, hatte
ich ganz vergessen: Wir müssen doch noch gucken, wie es Henry geht«, reichte
ich ihr die Hand, um sie wieder hochzuziehen.
»Es wird ihm
schon gutgehen, sonst hättest du das Thema nicht angeschnitten .«
Da hatte ich
mich krummgeschuftet, und Madame wollte nicht mal das Ergebnis bewundern?
»Komm mit !« Das Mädel gepackt und in den saubersten Stall Bulderns
geschleift.
Fünf Minuten
später waren wir wieder in der warmen Stube, und ich konnte endlich Glühwein
einschenken.
»Hab mich
wohl tatsächlich in dir getäuscht. Henry hat mir zugemeckert, dass er sich
richtig wohlfühlt .«
»Er darf
sogar in meinem Bett schlafen. Hat für mich den Vorteil, dass ich mich in den
langen Winternächten nicht so einsam fühle .«
»Du und
einsam, dass ich nicht lache. Wenn ich nur an die Motorradbraut denke, die hier
übernachtet hat, oder an deine Ex .«
»Auf die
Motorradbraut brauchst du nicht eifersüchtig zu sein: Sie ist tot«, hatte ich
sofort wieder Connie vor meinem geistigen Auge; blutleer in der Wanne.
Karin hatte
die Veränderung in meinem Blick bemerkt und studierte betreten ihre
Fingernägel. Zeit also für eine kleine Geschichtsstunde: Zunächst noch
stockend, plapperte ich bald wie ein Wasserfall über die Geschehnisse der
letzten Tage. Schumann war eine gute Zuhörerin und ließ dadurch immer mehr
Wärme in mein Herz strömen. Gleichzeitig erfüllte es mich mit Stolz, diese
tolle Frau heute Abend bei mir haben zu dürfen. Zeitgleich mit dem Ende der
Vergangenheitsbewältigung verstummte die Musik; ich hatte eine halbe Stunde
lang geredet.
Da ich
wusste, dass die Biobäuerin auf Hardrock abfuhr, zog ich Thin Lizzys Live
& Dangerous -LP aus
dem Regal und warf den Plattenspieler an.
Während ich
Glühwein nachschenkte, machte ich Karin heiß: Gleich würde sie nicht nur das
Werk eines bedeutenden Dichters lesen, sondern vielleicht sogar den Schlüssel
zur Lösung eines Mordfalls finden. Die Wirkung war so eindeutig wie
vorhersehbar: In ihre Augen trat ein eigentümlicher Glanz, wie bei einem Jäger,
der fette Beute wittert, so dass mich der folgende Satz nicht wirklich
überraschte: »Dann lass uns endlich anfangen .«
Ruckzuck das
Manuskript in zwei Hälften geteilt, und los ging’s.
Nach zehn
Sekunden Lektüre sprang meine Nachbarin wie von der Tarantel gestochen hoch und
knallte den Packen auf den Tisch.
»Vorsicht,
das sind Beweismittel in einem Mordfall .«
» Dieses Geschmiere hat mit Dichtung so viel zu tun wie du mit
der Wahrheit. Das ist das Schlechteste, was ich je gelesen habe .«
»Ich habe nie
behauptet, dass du heute Abend Lyrik vorgesetzt bekommst. Ich habe gesagt, dass
du das neueste Werk eines bedeutenden Dichters lesen kannst, und das ist die
reine Wahrheit .« Dazu den treuen Hundeblick
aufgesetzt.
»Du hast mich
unter Vorspielung falscher Tatsachen hierhergelockt, weil du wusstest, dass ich
sonst nicht gekommen wäre .«
Sie hatte
recht, Hundeblick hin oder her.
»Du hast dich
nicht geändert, und du wirst dich nicht ändern. Ich gehe !« Da sie entgegen ihrer Aussage aber keine
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